Josef und Li: Roman (German Edition)
Bajerová, fingen lauthals an zu lachen. Doch die Frau Lehrerin lachte nicht.
»Du hast dir gar nichts angeschaut, was?«, sagte sie und machte ein enttäuschtes Gesicht. Und Li stand immer noch da, sagte nichts und hatte diesen graublauen Nebel vor den Augen.
»Wie stellst du dir das vor, bitte schön? Ich kann dich nicht immer entschuldigen, weil du neu hier bist und Probleme mit dem Tschechischen hast!«
In der Klasse herrschte jetzt Grabesstille. Also fast wie im Grab, denn Josefs Magen knurrte gerade heftig. Zum Frühstück und in der Pause hatte er nicht ein Krümelchen Brot gegessen. Trotz des Rühreis, das die Hydra am Morgen gebraten und der belegten Brote, die sie für die Schule hergerichtet hatte.
Frau Kličková war spurlos verschwunden und der Hydra war das alles wahrscheinlich ein bisschen peinlich, weshalb sie sich bemühte, Josef und Vendula die Mutter und Herrn Klička die Frau zu ersetzen.
Aber niemand hatte sie um das Rührei gebeten und wenn es auch noch so gut roch, gelang es Josef und Vendula, dem Duft zu widerstehen und nichts davon zu nehmen. Ganz im Gegenteil, sie schoben angeekelt die Teller von sich weg.
Nur Herr Klička hatte alles aufgegessen, er tat aber ansonsten so, als ob er gar nicht da wäre. Die ganze Zeit über versteckte er sich hinter der Zeitung und jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, schnellte er hoch und eilte zum Apparat. Aber es war jedes Mal irgendein Herr Slepička, den Herr Klička überhaupt nicht kannte, später aber doch kennenlernte, als Herr Slepička schon zum vierten Mal anrief und beständig seine Schreibmaschine zum Richten vorbeibringen wollte.
»Jeder hat irgendwelche Probleme!«, sagte die Frau Lehrerin in die knurrende Grabesstille hinein und wollte Li schon eine Fünf eintragen.
Aber plötzlich löste sich der graublaue Nebel hinter Lis Augen und all die namenlosen Kreaturen, die darin schwammen oder sich in ihm faul herumwälzten, bekamen jetzt klare Umrisse und Li sagte: »Ich nicht habe Probleme. Ich jetzt weiß Antwort auf Ihr Frage.«
Und dann atmete sie tief durch und legte los: »Gibt es salzige und süsse Wasser und darin Lebe. Auf Erde noch nicht sein Lebe und in Wasser sein schon sehr lang Lebe. Also zum Beispiel in salzige Wasser sein: Muschel, Miesmuschel, Sardine, Hering, Kabeljau, Delphin, Haifisch, Seeschildkröte, Hummer, Seeigel, Rochen, Seestern, Seepferdche, Qualle, Seeanemone, Seeteufel, Tintenfisch, die Schließaugenkalamare, die Cre-vet-te«, sprach Li das letzte Wort überdeutlich aus und warf Helena vielsagende Blicke zu, doch die tat lieber so, als suchte sie etwas unter der Bank.
»Gemeine Nacktschnecke, weiße Schweinswal, Rundschwanz-Seekuh, Komoren-Quastenflosser, atlantische Stechrochen, südliche See-Elefant, Fisch aus Familie Carus genannt die Papagei …« Li hätte sicher noch zwei Tage geredet, doch da ertönte schon der Schulgong und die Frau Lehrerin, die völlig perplex darüber war, wie Li sich das alles hatte merken können, hauchte mit einem leichten vietnamesischen Akzent: »Ausgetseichne, Li, du kriegst eine Eins!«
Kurzum, Li hatte einen sehr großen Eindruck auf alle gemacht, und sogar Šíša und Hnízdil kamen nach der Stunde mit ihr ins Gespräch und fragten, ob sie den weißen Schweinswal und den Seeteufel mit ihren eigenen Augen gesehen hat, ob diese Tiere im vietnamesischen Meer lebten. Aber noch bevor Li ihnen antworten konnte, fuhr Helena Bajerová die Jungs an, sie sollen sich nicht mit der kleinen Streberin abgeben. Und sie fügte hinzu, Li und Josef sollten sich hüten, bald ginge die Aktion H-H los.
»Ha-ha, wir zittern schon«, sagte Josef lachend und Li fragte, was das Wort Ha-ha bedeutete.
»Helenas Hosenscheißer, ist doch klar«, sagte Josef und brach in Gelächter aus.
An diesem Tag hatte nicht nur Li einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sondern auch Vendula. Und Bára. Josef sah, wie sich vor der Schule die Jungs aus der neunten mit ihnen abgaben, jene coolen Typen, die sonst niemals mit den Mädchen aus den niedrigeren Klassen reden würden.
Und nun hingen diese coolen Typen an Vendulas und Báras Lippen und strichen ihnen sogar über die Haare, vielmehr berührten sie sie ganz vorsichtig, um sich nicht an den spitzen Zapfen zu verletzten.
Und es sah überhaupt nicht danach aus, dass die Mädchen Ähnlichkeit mit dem Monster von Loch Ness hätten. Oder vielleicht doch, auf alle Fälle war es von Vorteil. Und dann konnte Josef beobachten, wie Vendula ihnen das Fläschchen
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