Josef und Li: Roman (German Edition)
eindeutig er als Sieger hervor. Doch die Tigerkrallen, mit Ausnahme von Šíša, waren überzeugt, dass sie gewonnen hätten.
»Junge fröhliche Frau sucht reichen Mann fürs Leben. Chiffre: Mann, Bier, Gesang«, las die Frau am Schalter der Anzeigenstelle halblaut vor.
Sie ließ sich normalerweise nicht so leicht beirren, aber diesmal hob sie den Blick vom in Schönschreibschrift auf einem linierten Blatt Papier geschriebenen Text. Und ungefähr auf Schalterhöhe sah sie zwei Köpfe – die von Josef und Li. Die Frau lächelte den beiden zu und begann auszurechnen, was die Anzeige kostete.
»Das macht dann hundertzehn«, sagte sie schließlich und Josef rang nach Luft.
»Hundertzehn?«, wisperte Li ungläubig und steckte das linierte Blatt zurück in ihre Tasche.
»Ich hab nur fünfunddreißig«, sagte Josef, als sie schon draußen waren, und schaute etwas gekränkt – wie wenn sich die Welt gegen ihn verschworen hätte!
»Und ich nichts«, erwiderte Li und blickte recht fröhlich drein.
»Dann werden wir wohl auch betteln müssen«, sagte Josef und deutete mit dem Kopf zum Bettler, der am Boden saß und sich von den vorbeigehenden Leuten Kleingeld in den Hut werfen ließ.
»Betteln? Wir nie betteln, wir arbeiten. Verstehen? Wir niiieee betteln!!!«, ereiferte sich Li wütend und Josef verbesserte sich schnell und wiederholte: nicht betteln, sondern arbeiten.
Die Sonne verschwand wieder hinter den Wolken, die Straßen waren grau und kalt und Josef überlegte, was für eine Arbeit Li wohl im Sinn hatte. Er sah sich schon mit jeder abgelegten Zeitung zur Altpapiersammlung rennen. So würden sie die hundertzehn Kronen nicht einmal in einem Jahr verdienen und die Hydra könnte in der Zwischenzeit weitere, vielleicht irreparable Schäden anrichten.
»Und was werden wir arbeiten?«, fragte Josef endlich, nachdem er all seinen Mut zusammengenommen hatte und Li antwortete, als ob es das Selbstverständlichste von der Welt wäre: »Ist doch klar, werden wir machen Bissniss.«
Und so machten Josef und Li Business. Zunächst mussten sie aber allerhand vorbereiten. Sie kramten im Keller den alten Kinderwagen von Josef und Vendula heraus, in den sie einen Klapptisch und einen Campingkocher legten und dann noch eine Pfanne, Eier, einen Schöpflöffel, Marmelade, Servietten, Mehl, einen Topf und Kakao – das alles haben sie sich heimlich aus der Küche der Kličkas und der Nguyens ausgeliehen – , und so zogen sie los.
Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich einig waren, wo sie ihren Stand am besten aufbauen sollten, und so liefen sie ungefähr eine Stunde mit dem vollgeladenen Kinderwagen kreuz und quer durch die Straßen. Sie kamen zum Schluss, dass der beste Platz im Park wäre, gleich an der Mauer beim Eingang.
Während Josef den Campingtisch auseinanderklappte und versuchte, den Kocher in Gang zu bringen, der erst zu brennen begann, nachdem Josef nicht nur Benzin, sondern auch noch ein paar Tropfen Öl hineingegossen hatte – und hineingespuckt hat er auch noch –, machte sich Li an den Teig.
Für den Anfang zerschlug sie ein Dutzend Eier im Topf, fügte ein Kilo Mehl hinzu, einen Liter Milch und dann verrührte sie lange und gewissenhaft alles, damit es keine Klümpchen gab. Und noch ehe Josef auf ein Blatt Papier nach Lis Instruktionen in Druckbuchstaben schrieb:
Pfannkuchen eine Geschmacksrichtung – 3 Kronen
Pfannkuchen zweierlei Geschmacksrichtungen – 4 Kronen
Pfannkuchen dreierlei Geschmacksrichtungen – 5 Kronen
brutzelte in der Pfanne schon der erste Pfannkuchen. Es ging ein leiser Wind, und es zeigte sich, dass er die beste Werbung war. Keine Plakate, kein Fernsehen, nur ein leichtes Windchen, der den Duft der Pfannkuchen aufnahm und durch den ganzen Park wehte. Und all die Neugierigen fingen an, zum Tischchen zu strömen wie die Motten zum Licht.
Li hatte den ersten Pfannkuchen verdorben. Sie kratzte die Reste schnell ab und murmelte voller Verdruss auf Vietnamesisch: »Was ist das für eine blöde Pfanne? Wir hätten lieber die von uns nehmen sollen, als diese doofe von den Kličkas. Ich versuch sie besser einzufetten, was gaffen uns die Leute so an? Kann sie Josef nicht irgendwie ablenken?«
Die Leute sahen Li belustigt zu und als ob er Li verstanden hätte, fing Josef an, ihnen zu erzählen: »Der erste misslingt immer, das ist ein Zeichen von Qualität, warten Sie auf den zweiten, der wird Ihnen vielleicht schmecken …« Doch der zweite gelang auch nicht besonders, also musste
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