Josef und Li: Roman (German Edition)
Wort zu sagen den Park.
Und so blieb Josef alleine am ausgeplünderten Stand zurück. Erst als es zu dämmern anfing, legte er die Sachen wieder in den Kinderwagen und brachte sie heim in den Keller. Am liebsten wäre er auch dort geblieben. Wie irgendwelcher Plunder, den keiner mehr braucht.
Josef versteifte sich dermaßen in die Vorstellung, er wäre alter Plunder – etwa ein kaputtes Bügelbrett oder ein hoffnungslos veralteter Computer –, dass er wirklich so aussah.
Frau Kličková bemerkte seinen Zustand und sah Vendula unauffällig fragend an, was denn mit Josef los sei. Aber Vendula wusste es auch nicht. Und auch Herr Klička nicht. Er spielte gerade mit Marta Schach – dafür hatte er seelenruhig die mit Josef angefangene Partie aufgelöst – und nahm nichts anderes wahr, außer dass Marta versehentlich mit ihrem Springer gleichzeitig seine Dame und den König bedrohte.
Auch nachdem ihn Frau Kličková direkt darauf angesprochen hatte, blieb Josef stumm. Es war wirklich nachvollziehbar, dass er keine Lust hatte davon zu erzählen, wie sich die Tigerkrallen hervorgetan und er sich in den Augen von Li zum kompletten Idioten gemacht hatte. Und Frau Kličková wüsste dann auch sofort, wo ihre Pfanne abgeblieben war.
Das Gefühl, von dem Josef eingeholt wurde, war unerträglich. Ungefähr so, wie wenn auf einmal der ganze Körper von Pusteln, die ganz furchtbar jucken, übersät würde und das Einzige, was man dagegen tun kann, ist, sich bis aufs Blut zu kratzen. Josef aber hatte diese Pusteln nicht auf der Haut, sondern ganz tief in sich drin, sodass er sich nicht kratzen konnte, sondern nur daran denken und sich quälen, bis er sich endlich überwand, doch noch etwas zu unternehmen.
»Bin gleich zurück!«, rief er aus dem Vorraum, und noch bevor ihn Frau Kličková aufhalten konnte, war er weg.
Josef sprang die Mauer hinab in den verlassenen Garten. Es herrschte dunkelste Dunkelheit, während er sich durchs Gebüsch schlug und über moosbewachsene Baumstrünke stolperte, und er war froh, dass er in der Eile seine Taschenlampe nicht vergessen hatte.
Der Baumstamm, in dem die Tigerkrallen ihr Versteck hatten, war glitschig und ohne einen einzigen Vorsprung, an dem man sich hätte festhalten können, sodass Josef sofort abrutschte, sobald er versuchte, hochzuklettern. Schließlich gelang es ihm aber doch, den Baum zu erklimmen – er bekam einen Ast zu fassen und von da an war es ein Kinderspiel hochzukommen, in die Baumkrone zu klettern und im Hohlraum Nussschalen,
ein paar Köttel und das Geheime Heft der Tigerkrallen zu ertasten. Aber von der Blechbüchse war keine Spur.
Operation Nr. 2: Feiglinge vertrieben. 10 direkte Treffer. Machten sehr schnell die Fliege, las Josef im Geheimen Heft und blätterte schnell um – er war froh, dass Li das nicht sehen musste.
Operation Nr. 3: Feiglinge überfallen. Leisteten keinen Widerstand und rückten Kasse und Pfannkuchen raus. Josef sah aus wie Herr Švihlík – das ist jemand, den Šíša kennt –, als ihm die Liduška auf den Kopf fiel. Liduška war aber nicht sehr weit oben. Die Kasse ist an einem sicheren Ort, siehe Plan P., las Josef weiter und begann sogleich fieberhaft im Heft zu blättern, bis er den Plan P. entdeckte. Ohne lange zu überlegen riss er den Plan aus dem Heft, warf den Rest zurück zu den Nussschalen und Kötteln, machte die Taschenlampe aus und sprang ohne etwas zu sehen hinunter.
Josef lief durch alle Straßen, über Plätze und alle Treppen, die den unteren Teil von Břevnov mit dem oberen verbanden, durch alle Durchfahrten und Höfe, genauso, wie es im Plan eingezeichnet war, bis er zu dem Rechteck gelangte, auf dem ein Kreis mit einem Ausrufezeichen eingezeichnet war. Dort sollte sich die Kasse befinden.
Als er vom Plan aufschaute, stellte er fest, dass er vor dem Haus stand, in dem Helena Bajerová wohnte.
Er war nur ein einziges Mal dort gewesen und hoffte, es nie wieder betreten zu müssen. Und jetzt befand sich die Blechbüchse darin und das große Haus mit der roten Fassade streckte sich ihm wieder ein wenig spöttisch und herablassend entgegen und Josef hatte überhaupt keine Lust, es an der Hand, also an der Klinke zu nehmen.
Und er nahm die Klinke auch nicht in die Hand, sondern schwang sich auf den Fenstersims im Erdgeschoss und kletterte die Dachrinne entlang bis zum Fuß des Balkons von Helenas Wohnung im Erdgeschoss. Dort hing er dann eine Weile ohne voranzukommen fest, es verließen ihn langsam die Kräfte,
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