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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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geworden.
    Vendula polierte auch. Gläser, Fenster, Uhren. Und auch Spiegel. Viel lieber wäre sie mit Bára auf die Eisfläche auf dem Obstmarkt zum Eislaufen gegangen, aber Frau Kličková war unerbittlich und ließ sie nicht gehen. Sie selbst putzte schon eine gute Stunde verbissen den Christbaumständer, obwohl noch gar kein Christbaum da war. Aber dann kam er. Er maß drei Meter und Herr Klička und Marta konnten ihn gerade mal so in den Vorraum schaffen.
    »Wir sind durch halb Tschechien gefahren, bis wir den Racker gefunden haben!«
    »Das wäre nicht nötig gewesen«, maulte Frau Kličková, »ein kleiner hätte auch gereicht.«
    »Dir kann man es nie recht machen!«, regte sich Herr Klička auf und ein Donnerwetter schien im Anmarsch zu sein. Josef nutzte das aus. Unauffällig legte er den Lappen und das Poliermittel weg und zog sich in sein Zimmer zurück.
    Er wollte schnell ins Bett und lesen. Es war schon lange her, dass er ein Buch in die Hand genommen hatte. Seitdem sich die Hydra bei ihnen festgebissen hatte und die Tigerkrallen ihr Unwesen trieben, war an Lesen nicht zu denken. Doch auch diesmal kam er nicht mehr zum Lesen.
    Beim Ausziehen fiel ein zusammengerollter Zettel aus seiner Hosentasche. Der, den ihm Šíša in der Schule zugesteckt hatte. Es war ein Brief. An ihn gerichtet. Und er las es immer wieder von vorn, wie eine Beschwörungsformel: Lieber Josef, wir würden gerne wieder mit dir befreundet sein. Komm morgen um vier in den verlassenen Garten. Wir hätten dich gern als Anführer der Tigerkrallen. Máchal, Hnízdil, Šíša, Helena.
    Der Anführer der Tigerkrallen sein, das wäre das schönste Geschenk, das sich Josef vorstellen konnte. Also neben einem neuen Computer, echten Fußballschuhen mit Gumminoppen an den Sohlen, einem Handy, einem Hockeyschläger und noch ein paar Kleinigkeiten.
    »Wohin des Weges?«, ertappte ihn Vendula am nächsten Nachmittag im Vorraum, als er versuchte, sich unauffällig aus dem Staub zu machen.
    »In den verlassenen Garten. Ich werd vielleicht der Anführer der Tigerkrallen«, eröffnete ihr Josef und fühlte sich dabei so wichtig und geheimnisvoll, dass nicht einmal Vendula es übers Herz brachte, ihm den Spaß zu verderben. »Wenn du zurück bist, wischst du den Boden!«
    »Wird gemacht.«
    »Und bringst den Müll runter.«
    »Wird gemacht.«
    »Und …« Aber den Satz konnte Vendula nicht mehr zu Ende sagen. Josef schlüpfte an ihr vorbei und stürzte schon das Treppenhaus herunter. Er fetzte über den Hof wie ein Wirbelwind und verpasste Li gerade um eine Sekunde.
    Frau Nguyen hatte sie doch noch vom Hausarrest befreit. Sie hatte alle Hände voll zu tun mit den Vorbereitungen zum Abend der Poesie – Herr Nguyen hatte sich seit dem Morgen im Bad eingesperrt, wo er sein neues, anscheinend sehr langes Gedicht auswendig lernte –, sodass sie Hilfe gebrauchen konnte. Und so schickte sie Li zum Einkaufen.
    Li trat in den Hof hinaus, atmete tief ein und fühlte sich auf einmal wie der freieste Mensch auf der Welt. Und sie wollte ihr neues Lebensgefühl gleich mit jemandem teilen. Sie
blickte sich vorsichtig um, ob niemand hinsah – das Verbot, Josef nicht sehen zu dürfen, bestand weiterhin –, überquerte rasch den Hof, lief in den ersten Stock und klingelte an der Wohnung der Kličkas.
    Vendula machte die Tür auf und als sie Li sah, machte sie ein erstauntes Gesicht. »Josef ist nicht zu Hause. Wieso seid ihr nicht zusammen?« Li wusste nicht, was sie antworten sollte. Und so beugte sich Vendula zu ihr herunter und sagte: »Er ist in den verlassenen Garten gegangen. Wahrscheinlich wird er der Anführer der Tigerkrallen!«
    Li schaute Vendula eine Weile ratlos an. Sie kam sich überrumpelt vor. Und zur Sicherheit fing sie gleich im Geist an bis einundzwanzig zu zählen. Und dann gleich noch einmal. Und nochmal.
    Sie wusste gar nicht, wie sie die Treppe heruntergekommen, durch den Hof und bis zur Wand des verlassenen Gartens gelangt war. Das konnte doch nicht wahr sein! Das würde Josef ihr doch nicht antun! Vendula hatte sich sicher verhört, oder es war ein dummer Scherz. Ganz leise öffnete sie die verrostete Tür und schlüpfte in den Garten.
    Es wurde schon fast dunkel und die Gartenlaube blinkte wie ein Leuchtturm im Meer inmitten der verschneiten Landschaft. Am Geländer, am Dach, an der Treppe, am Boden und auf den Kisten, die den Tigerkrallen als Möbel dienten, brannten Kerzen und zischten Wunderkerzen. Es war ein so schöner Anblick, der Li

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