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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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Gewitter von allein vorüberzog.
    »Hallo? Wie bitte? Mit wem?«, sagte Herr Klička und überlegte angestrengt, wem die Stimme am anderen Ende der Leitung gehören mochte.
    »Mit dem Fräulein Marta«, sagte Herr Bílek mit der Stimme eines jungen Mannes.
    Herr Klička legte seine Hand an den Hörer und flüsterte Marta zu, ihr Verehrer wäre dran.
    »Küssdiehand, Fräulein Marta«, sagte Herr Bílek immer noch mit junger Stimme, als er am anderen Ende ein Hallo hörte. »Ich hoffe, ich rufe zu keinem ungünstigen Zeitpunkt
an, jedoch ich dachte, ich könnte Sie irgendwohin ausführen? Würde Ihnen dies behagen?«
    »Ja, es würde mir behagen«, piepste Marta und man sah ihr gleich an, dass sie von der jungen, aber ungewöhnlich zuvorkommenden Stimme völlig verzaubert war.
    Josef deutete inzwischen Herrn Bílek mit Gesten an, dass er sich mit Marta noch am selben Abend treffen müsse, woraufhin Herr Bílek dies gleich mit seiner jungen Stimme sagte.
    »Heute Abend? Ja, das würde passen. Und wo? In der Lustigen Teh Cann? Ja, gut. Ich werde dort sein. Punkt acht Uhr! Ich freue mich sehr!«
    »Sie kommt und freut sich«, sagte Herr Bílek, als er den Hörer auflegte, und es schien, dass es ihm genauso viel Freude bereitete wie Josef. Und Josef hatte eine Zeit lang den Eindruck, dass nicht nur Herrn Bíleks Stimme jünger wirkte, sondern der ganze Herr Bílek.
    Zwei Stunden später ging Marta auf die Lustige Teh Cann zu, die Frau Nguyen und Li in der Zwischenzeit ausgeschmückt hatten – um die Fenster hatten sie eine Wäscheleine gespannt, die sie mit Laternen und Blumen aus rotem Krepppapier behängten. Vendula hatte ihr ihren besten Rock, ein Hemd und einen Pulli geliehen, was sehr nett von ihr war, denn Marta bekleckerte sich meistens, oder jemand verschüttete etwas über sie. Bevor sie die Lustige Teh Cann betrat, fuhr sie sich noch einmal durch die Haare und atmete tief durch.
    Dort herrschte absolute Stille und alle Gäste richteten ihre Blicke auf den hinteren Teil des Saals. Ganz hinten stand auf einem kleinen Podest Herr Nguyen und rezitierte ein Gedicht
auf Vietnamesisch. Und alle Anwesenden ließen sich durch den Strom der Worte davontragen und auf ihren Gesichtern zeichnete sich ein seliger Ausdruck ab, als ob sie irgendwo in weiter Ferne oder in unendlich friedlichen Gefilden weilten.
    Marta blickte sich unauffällig um. Abgesehen von Herrn Bílek, der gleich bei der Tür saß und erstaunlicherweise auch selig dreinblickte, obwohl er im Unterschied zu den anderen kein einziges Wort verstand, kannte sie niemanden. Sie hätte sich fast schon unbemerkt hinausgeschlichen, wenn Li sie nicht an der Hand gefasst und in die erste Reihe geführt hätte, wo ein Platz für sie reserviert war.
    »Du hier sitzen und zuhören«, flüsterte Li im Befehlston und Marta setzte sich brav hin. Und dann brachte ihr Li eine Schale Tee und einen Teller mit Gebäck. Diesmal musste Marta aber nicht ihre Hände zum Schutz vor den Kopf halten. Bis auf einen einzigen Crevettentaler – das war aber wirklich keine Absicht! – wurde nichts über Marta verschüttet und sie wurde auch von niemandem bekleckert.
    Das Gedicht von Herrn Nguyen kam Marta unendlich lang vor und sie bereute es schon innerlich, überhaupt hierhergekommen und auf diesen dummen Scherz hereingefallen zu sein. Aber jetzt, wo sie in der ersten Reihe saß, musste sie durch. Und so schlürfte sie den Tee und lächelte freundlich. Schließlich endete dieses ellenlange Gedicht aber doch noch, und wie es schien, kam es den anderen überhaupt nicht endlos vor, denn Herr Nguyen erntete dafür endlosen Applaus.
    »Und jetzt sie hören eine alte vietnamesische Lied«, führte Li die nächste Darbietung ein und winkte Marta, die sich davonstehlen wollte, zurück zu ihrem Stuhl. Und dann begann
etwas, womit Marta überhaupt nicht rechnete, und sie hatte auf einmal keine Lust mehr, zu verschwinden.
    Auf der Bühne fing nämlich ein junger Mann mit Gitarre zu singen an, mit so einer zarten und ergreifenden Stimme, dass Marta der Atem stockte. Es war Tuong, und die Teestube verfiel wieder in Stille.
    »Tuong singe, daheim sein überall dort, wo gute Esse und Liebe«, übersetzte Li einen Teil des Liedes und Marta nickte zustimmend, als ob sie nach ein paar Takten die vietnamesische Sprache gelernt hätte und die Worte, die Tuong sang, schon für sich selbst übersetzte. Besonders das mit der Liebe. Marta konnte die Augen nicht von Tuong losreißen. Und er schaute auch nur

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