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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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auftauchte, zeigte Zafar auf den Bildschirm und rief aufgeregt: »Guck mal, Dad, da ist Fat Jack.« Und da war er wirklich, gleich hinter Mandelas linker Schulter, spitzte die Lippen und machte vermutlich: »Mmm, mmm.«
    Von den Jungs lernte er eine Menge über Sicherheit – wie man zum Beispiel einen Raum betrat, wohin man blickte, wonach man Ausschau hielt. »Polizisten und Verbrecher«, sagte Dev Stonehouse, »erkennt man immer. Sie bleiben in der Tür stehen und prüfen vor dem nächsten Schritt die Lage, wie viele Ausgänge, wer steht wo, all das.« Ebenso erfuhr er, dass die Polizei letztlich auch nur eine Abteilung des öffentlichen Dienstes war, ein Beamtenapparat mit Beamtenpolitik. Der Special Branch sah sich jeder Menge Neid und Eifersucht ausgesetzt, und es gab Leute, die ihn abschaffen wollten. Es sollten Momente kommen, in denen man sich hilfesuchend an ihn wandte und bat, Briefe zugunsten der vom ›A‹-Kommando geleisteten Arbeit zu schreiben; und er freute sich, ihnen das, was sie für ihn taten, ein wenig vergelten zu können. Am meisten aber freute ihn, dass keiner der Männer, die bereit waren, ihn mit ihrem Leben zu beschützen, je auch nur eine Kugel abbekam.
    Es gab nicht viele Frauen im ›A‹-Kommando, sechs, höchstens sieben, und in all den Jahren wurden nur zwei seinem Team zugewiesen: eine großgewachsene, attraktive Frau namens Rachel Clooney, die später in Margaret Thatchers Schutzteam wechselte, und eine kleine, kompakte, sachliche Blondine namens Julie Remmick, die irgendwann aus dem Team ausscheiden musste, da ihre Schießkünste nicht länger den Ansprüchen genügten. Jedes Teammitglied musste regelmäßig in einem Polizeischießstand bei schlechter Sicht einen Test für Treffsicherheit absolvieren, und die Mindesttrefferquote lag irgendwo bei über neunzig Prozent. Wer darunter sank, musste sofort die Waffe aushändigen und wurde zurück an den Schreibtisch geschickt. Man sagte ihm, dass man Schießstunden für ihn arrangieren könne. Die besten Ausbilder würden ihn unterrichten; vielleicht sei das etwas, was er lernen sollte. Er dachte lange darüber nach, lehnte aber schließlich ab. Er wusste, wenn er eine Waffe besaß und die bösen Jungs griffen ihn an, würde man sie ihm abnehmen und gegen ihn ins Feld führen. Da war es besser, er lebte ohne Waffe und hoffte, dass die bösen Jungs gar nicht erst so dicht an ihn herankamen.
    Manchmal kochten sie für ihn, aber meist hielt man die häuslichen Arrangements getrennt. Sie erledigten seine Supermarkteinkäufe zusammen mit ihren und nutzten die Küche zu unterschiedlichen, vorab vereinbarten Zeiten. Abends blieben die Beamten in ihrem Zimmer und sahen fern, Athleten, die durch die Umstände gezwungen wurden, sich wie Stubenhocker zu benehmen. Wie sie gelitten haben müssen!
    Sie waren fit und attraktiv und fanden Gefallen bei Frauen. Einige Jungs freundeten sich mit weiblichen Angestellten der Verlagswelt an, die sie durch ihn kennenlernten. Ein bestimmtes Team, Rob und Ernie, war der ganz besondere Schwarm der Damenwelt. Ein Beamter hatte eine Affäre mit dem Kindermädchen eines Freundes, trennte sich später von ihr und brach ihr das Herz. So mancher Personenschützer hatte außereheliche Affären, bot die Geheimniskrämerei ihres Jobs doch die beste Tarnung. Einer von ihnen, ein goldhaariger Jüngling namens Sammy, erwies sich als Bigamist mit zwei Frauen, die er mit demselben Kosenamen anredete; von beiden besaß er zudem Kinder, die er ebenfalls identisch benannt hatte. Das Ganze flog auf, weil die Kosten eines Lebens in Bigamie für ein Polizistengehalt viel zu hoch waren und er sich in Schulden gestürzt hatte. Diese Jungs waren wirklich interessante Leute.
    Wie sich herausstellte, hatte Dev Stonehouse ein Alkoholproblem und musste schließlich das Team verlassen, nachdem er betrunken in einem Pub zu viel geredet hatte. Man schickte ihn nach Sibirien, andernorts auch als Flughafen Heathrow bekannt. Es gab mehrere Personenschützer, die des Teufels Advokaten spielen und sich argumentativ auf die muslimische Seite stellen wollten, um ›Respekt‹ einzufordern, doch wurden sie von ihren Kollegen stets gleich sanft, aber bestimmt aus dem Zimmer geführt.
    Ein überheblicher Beamte wollte ihn eher als Gefangenen denn als ›Kunden‹ behandeln, aber er wehrte sich dagegen. Und da war noch Siegfried, ein britisch-deutscher Junge, gebaut wie ein Panzerschrank, der sich ihm einmal, als er darum bat, einen Spaziergang im Park

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