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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Kaisers hatte er erhofft, daß sie Klärung über seine Situation bringen werde. Aber nichts hatte sich geklärt, DDD hatte ihn gelassen und freundlich behandelt wie stets. Allein er kannte seinen DDD, er wußte, das besagte gar nichts, der schreckliche Druck war nicht von ihm gewichen. Alle die Zeit her war ihm, als werde sich im nächsten Augen blick die Erde auftun und ihn verschlingen. Sein hübsches Gesicht war hohl geworden, er hatte sich zusammenreißen müssen, um nicht plötzlich im Gespräch zu verstummen und in sich zu versinken, das köstlichste Gericht, die modischste Frau, der hübscheste Knabe, alles hatte seinen Reiz für ihn verloren. Er achtete nicht auf die Kleider, die ihm sein Kammerdiener zurechtlegte; sein Friseur konnte die Parfüms verwechseln, ohne daß er’s merkte. Seine Freuden waren keine Freuden mehr, und wenn er des Nachts schlaflos lag, dann, mehrere Male, kam eine furchtbare Vision zu ihm, immer die gleiche. Er sah sich selber, wie er auf den Rindermarkt geschleift wurde, vor zehntausend Zuschauern in einen Block gespannt und zu Tode gepeitscht, nach dem Wortlaut des Gesetzes. Seltsamerweise trugen die zehntausend Zuschauer allesamt sein eigenes Gesicht, selbst der Beamte, der die Exekution leitete, und der Henker trugen sein Gesicht, auch sprachen sie alle mit seiner Stimme. Und er hörte sich selber, und das erschreckte ihn am meisten, in seinem flüsternden, eleganten Griechisch kleine, bissige Scherze machen über die unerträglichen, tödlichen Qualen seiner Folterung und seines grauenvollen Absterbens.
      Heute, in Alba, diesen ganzen Tag über, da das Kollegium der Fünfzehn beriet, war das Gefühl der bevorstehenden Vernichtung noch drückender, dieses Gefühl, als ob ein Berg auf ihn zukäme und sich langsam über ihn senkte, um ihn zu begraben; so körperlich war es, daß es ihm zuweilen den Atem raubte. Er irrte herum in den endlosen Gängen des Schlosses, durch den weiten Park, durch die Ziergärten, die Treibhäuser, zwischen den Käfigen der Tiere, augenlos; wenn ihn einer gefragt hätte, wo er gewesen sei, dann hätte er’s nicht sagen können.
      Dann war es Nacht geworden, und er schaute, versteckt, zu, wie sich die Herren des Priestergerichts entfernten. Etwas in ihm, ein Rest des früheren Crispin, nahm mit lausbübischem Hohn wahr, welche Mühe sich die Herren geben mußten, damit ihnen nicht beim Einsteigen in den Wagen die spitzen, weißen, lächerlichen Fellhüte von den Köpfen fielen. Gleichzeitig aber dachte der neue, der am Leben bedrohte Crispin in ihm: Was mögen sie beschlossen haben? Und nun also hockte er in seinem Arbeitszimmer, voll von hilflosem Zorn, daß es ganz im Belieben dieser läppisch angezogenen Burschen gestanden war, ihn zu einem schimpflichen, martervollen Ende zu verurteilen, ihn, den großen Crispin, den allmächtigen Minister des Kaisers. Hatten sie es getan? Hatten sie es gewagt? Seine Hände waren die eines Toten, sein Kopf drehte immer nur die eine Frage: Hat er mich verurteilt, hat er es gewagt? Hat er mich verurteilt, hat er es gewagt?
      Endlich rief man ihn zu Domitian. Er gab dem Kammerdiener, der ihm behilflich war, das Galakleid und die hohen Schuhe anzulegen, schroffe, ungeduldige Weisungen, doch die Stimme gehorchte ihm nicht recht, und als er selber knüpfte und band, zitterten ihm die Hände, und als er, Diener mit Leuchtern voran, durch die langen Korridore schritt, zitterten ihm die Knie. Er bemühte sich, auf seinen Schatten zu achten, der ihn grotesk begleitete, um sich so von seiner Furcht abzulenken und gelassen vor dem Kaiser zu erscheinen. Auch in Gedanken nicht mehr nannte er den Domitian DDD, sondern nur mehr den Kaiser.
      Der Kaiser lag auf einem breiten Sofa, im Schlafrock, er sah müd aus, lasch, fleischig. Er streckte ihm die Hand hin, und Crispin, vorsichtig, damit die Lippenschminke keine Spur hinterlasse, küßte die Hand. »Das war ein anstrengender Tag heute«, meinte Domitian, gähnend. »Ja«, erzählte er, »wir haben sie verurteilen müssen. Das ist ein Schlag für mich. Ich habe Stadt und Reich in schlechtem Zustand übernommen. Es ist ein verwilderter Garten, man jätet und jätet und muß sehen, daß doch immer nur neues Unkraut nachwächst. Warum bist du so schweigsam, mein Crispin? Sag mir etwas Tröstliches! Der Herr und Gott Domitian dürstet heute nach tröstlichen Worten seiner Freunde.«
      Crispin wußte nicht, was er von diesen Reden halten sollte. Wenn Cornelia verurteilt

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