Josepsson, Aevar Örn
wenn es um religiöse Angelegenheiten ging. Ein hochgestellter Polizeibeamter, der mit seinem Glauben und seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft nicht hinter dem Berg hielt, auch wenn sie von der breiten Bevölkerung als sektiererisch eingeordnet wurde – von denen gab es nicht viele.
Þórður nickte und fuhr fort. »Ja, Svavar hat natürlich unseren Mann bemerkt, und er hat wohl auch ein paarmal versucht, mit ihm über Glaubensfragen zu diskutieren, was der Gute ziemlich unangenehm fand, und hinzu kam all das andere, die Hallelujas und das religiöse Geschwätz, das ging ihm so langsam … Tja, sagen wir einfach, er war außerordentlich froh, als er von dieser Aufgabe befreit wurde.«
»Wann war das?«, fragte Stefán.
»Ungefähr einen Monat nachdem diese Aufnahmen gemacht wurden«, entgegnete Þórður.
»Aber er hat nichts darüber gesagt, dass Ólafur auf einmal nicht mehr zu den Versammlungen erschien, kurz nachdem diese Aufnahmen gemacht wurden?«, fragte Katrín.
»Nein. Vielleicht erinnere ich mich aber auch nicht mehr so genau daran. Er hat es damals wohl nicht für so wichtig gehalten. Die Leute kamen einfach oder blieben weg, und dann kamen sie wieder … Auf diesen Versammlungen waren immer so an die hundert Leute«, erklärte er, um seinen Mann in Schutz zu nehmen, »und nicht selten auch mehr. Wie dem auch sei, all das kam jetzt wieder hoch, als dieser Ólafur tot aufgefunden wurde. Daraufhin haben wir natürlich das Ganze wieder aufgerollt.«
»Wieso?«, fragte Stefán so missmutig wie nur möglich.
»Wieso? Sieh dir doch einfach den Zeitrahmen auf den Fotos an«, sagte Þórður eifrig. »Auf dem Video ist das sogar noch deutlicher. Da öffnet jemand die Tür für Lalli und seine Truppe, wir wissen zwar nicht, wer das macht, aber sie wird, wie gesagt, von innen geöffnet – und ein paar Sekunden später kommt Gottesmann Magnús höchstpersönlich zusammen mit Ólafur heraus, er gestikuliert und redet auf Ólafur ein, als gelte es sein Leben, bis der sich ins Auto setzt. Und inzwischen wissen wir, dass er am nächsten Tag, oder höchstens ein paar Tage später, tot war, dieser Ólafur. Das müsst ihr doch sehen, allein schon der Zeitrahmen deutet darauf hin, dass Ólafur auf dem Weg nach draußen seinem Meister zusammen mit Lalli und seiner Truppe begegnet ist. Und Magnús fuchtelt doch wohl nur deswegen so wild herum, weil er sich alle Mühe geben muss, dem alten Kerl diesen überaus merkwürdigen Besuch zu erklären. Ich bezweifle sehr, dass es dabei um Lallis Mutter gegangen ist.«
»Etwas lag ihm auf der Seele«, pflichtete Stefán ihm bei. Trotzdem schwang ein zweifelnder Unterton in seiner Stimme mit. »Aber wer sagt, dass es nicht um irgendwelche Glaubensfragen ging? Es war Ostersonntag, da hatte eine Versammlung stattgefunden, an der Ólafur teilgenommen hatte. Der Meister hat gepredigt – ich denke, davon kann man ausgehen, denn seine Osterpredigten sind ja berühmt – und vielleicht war Ólafur nicht einverstanden mit etwas, was er gesagt hat. Wie könnt ihr so sicher sein, dass …«
Þórður wehrte ungeduldig ab. »Ich weiß, ich weiß, sie können über alles Mögliche geredet haben, darüber wissen wir gar nichts, und irgendwie haben wir das seinerzeit auch so aufgefasst. Die Videoaufnahme ist zu undeutlich, um einen Lippenleser einzusetzen.«
»Lippenlesen ist ja auch keine sehr präzise Wissenschaft«, warf Katrín ein, »zumindest gibt es ich weiß nicht wie viele Versionen davon, was Materazzi zu Zidane gesagt haben soll.« Stefán und Þórður sahen sie verständnislos an. »Spielt keine Rolle«, fuhr sie fort, »Entschuldigung, mach einfach weiter.«
»Okay«, sagte Þórður, der jetzt aber nicht mehr ganz so eifrig klang wie zuvor. »Wie gesagt, wir wissen selbstverständlich nicht, worüber der Meister und Ólafur geredet haben, aber der Zeitrahmen …«
»Soweit ich sehen kann, gibt es eine Zeitspanne von etwa fünfundzwanzig Sekunden zwischen dem Augenblick, wo Lalli und Co. das Haus betreten und der Meister und Ólafur herauskommen«, warf Stefán immer noch zweifelnd ein. »Wie lang ist dieser Korridor? Wo befindet sich die Tür zu der Lagerhalle und die zum Treppenhaus? Wie lange braucht man, um von der Eingangstür ins Lagerhaus zu gelangen und von der Treppe zur Außentür?«
Þórður musste widerwillig zugeben, dass beide Türen sozusagen direkt beim Eingang waren.
»Also hätte Lalli in diesen zwanzig, nein fünfundzwanzig
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