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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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entfließe sein Blut und mit ihm aller Drang und alle Sucht, fühlte er sich sinken in glückhafter, schmerzhafter, grenzloser Erschlaffung.
    So fand ihn kurze Zeit später der alte, klapprige Leuchterbeschließer, der mit dem Löschhut kam, um das Kabinett finster zu machen. Erschreckt, wie er den blassen, hingesunkenen Mann erkannte, ließ er die Stange fallen, machte: »Jesus,der Herr Finanzdirektor!« Aber der richtete sich matt hoch und sagte, er solle ihm was zu essen bringen, was immer, es sei ihm schwach vor Hunger. Der Alte, betreten, sich bekreuzigend, machte sich fort, brachte das Verlangte. Süß, während er mit den Händen, ziemlich gierig, aß, sagte dem Alten, er solle sich in seiner Verrichtung nicht stören lassen. Der stammelte, das gehe doch nicht an, er könne doch nicht den Herrn Finanzdirektor so im Dunkeln –. Aber Süß unterbrach ihn: »Lösch Er nur seine Lichter und kümmer Er sich nicht um mich.« Verstört machte sich der Alte an seine Arbeit. Der Sturm hatte wieder mit Macht und Heulen eingesetzt. Süß aß, kaute, schlang. Der Alte beschleunigte seine Hantierung, stieg auf die Leiter, löschte, schielte nach dem Finanzdirektor. Der aß immerzu, eilfertig, schlang, schmatzte. Schließlich, mit einer merkwürdig lustigen Stimme, sagte er: »Häng Er Sein Herz nicht an Menschen! Das steht doch im Neuen Testament, was?« – »Ich versteh Euer Exzellenz nicht«, stotterte ängstlich der Alte. »Laß Er’s gut sein«, sagte Süß, die letzten Bissen kauend, »und leucht Er mir!« Das Kabinett blieb im Dunkeln; geführt von der kleinen Laterne des Mannes, schritt Süß durch finstere Saalfluchten in den Haupttrakt des Schlosses.
    Hier saßen, in einem Nebenraum, die Führer des katholischen Projekts, Generale, Minister. Sie waren lauter Württemberger unter sich. Die würzburgischen und bayrischen Herren, der Gesandte der Apostolischen Majestät, sie hatten sich alle, ach wie hurtig!, trotz Sturm und Wetter davongemacht; sogar der Astrologus des Fürstabts von Einsiedeln mitsamt seinem Fensterschweiß, Kolben, Dreiecken, vielfigurigem Hemd war, ungeachtet er die Stunde als sternrecht befunden hatte, eilends verschwunden. Da saßen nun die schwäbischen Herren, fahl, schwitzend, in dicker, angestrengter Ratlosigkeit. Atmeten auf, als Süß kam, schauten ihm als dem Retter in gespannter Hoffnung entgegen.
    Der Jude schickte lind, ruhig, fast lächelnd seine braunen Augen über die hilflose Runde. Sagte dann zu dem massigenMajor Röder, der mehr als die anderen stier und dumm dasaß: »Sie sehen nicht recht klar, Herr Major, was in dieser seltsamen Situation zu tun ist?« Er trat sehr nahe an den stumpfen, verständnislos schauenden Mann und sagte, sehr liebenswürdig: »Verhaften Sie mich: und wer immer Oberhand behält, Sie sind für alle Fälle salviert.« Das sagte er ganz leicht, höflich, fast konversierend.
    Verblüfft schauten die Herren. Aber dann stieg es auf, stieg es in ihre Augen, ein hartes, arges Glitzern. Es war nicht ganz klar, wo der Jude hinauswollte; aber soviel war gewiß: wenn man ihn packte, wenn man ihn festsetzte, dann war einer da, der ganz vorne stand, auf den alle Wut zuerst sich stürzen, alles Übelste abgeladen werden konnte. Eine lange Minute war es totenstill in dem Raum. Alle, mit den gleichen Worten fast, in der gleichen Folge fast, dachten die nämlichen Gedanken. Und alle mündeten in den Entschluß: Ja! Den Juden packen! Das ist die Rettung! Der Jud muß hängen!
    Und auf solche Art war doch was getan. Auf solche Art saß man doch nicht länger in dieser drückenden, albernen, beschämenden Angst. Man stellte doch, Kreuz und Türken!, in der Bataille seinen Mann: was war denn das für ein dummes, dreckiges, hosenbekleckerndes, hündisch übles Gefühl gewesen, in das man sich da hatte hineinjagen lassen, das einem so widerwärtig Herz und Magen heraufgekrochen war. Herrlich, daß man jetzt auf so gute Manier aus diesem Schweinezustand herauskam. In einer Minute wird man die ganze scheußliche, jämmerliche, lamentable Depression hinter sich und vergessen haben.
    Und da stand auch schon der Major Röder auf. Er war ganz, vor sich und den anderen, Patriot, Christ, Soldat. Massig kam er, charaktervoll, von seinem Recht und seiner Biederkeit innig überzeugt, auf Süß zu, legte ihm die unförmige, behandschuhte Tatze auf die schlanke, elegante Schulter, öffnete schwer den harten Mund: »Im Namen der Herzogin und der Verfassung: ich verhaft Ihn, Jud.«
    In

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