Judasbrut
sie ihn.
Er
grinste anzüglich. »Oh, wenn du mich so direkt fragst … «
Prompt
hielt sie beim Kauen inne und spürte, dass sie rot anlief. Er kam zum
Schreibtisch. Sie rührte sich nicht, als er ihr leicht über die Schläfe strich.
»Hör
zu, denn ich habe keine Lust, es ständig zu wiederholen.« Er betonte jedes
Wort, als er weitersprach: »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben – solange du dich an ein paar Regeln hältst. Die wichtigste ist: Du versuchst
nicht wegzulaufen oder mit jemandem Kontakt aufzunehmen.«
Sie
nickte, während sie langsam weiterkaute.
»Außerdem … « Seufzend
hielt er inne. »Das glaubst du mir wahrscheinlich nicht, aber ich werde dich
nicht anrühren – es sei denn, du hast andere Pläne.« Jetzt grinste er
wieder.
Er
hatte recht, das glaubte sie ihm nicht. Seinem Gesichtsausdruck nach zu
urteilen meinte er es zumindest im Moment wirklich ernst. Er tätschelte ihr den
Oberarm und begann, sich nun seinerseits etwas zu essen zu nehmen.
»Wie
hast du mich erkannt?«, fragte er kauend. »Ich dachte eigentlich, die langen
Haare und der Bart hätten aus mir eine andere Person gemacht.«
Sie
musterte ihn. »Deine Augen. Nicht so sehr die Farbe. Eher die Stellung. Oder
vielleicht beides. Ich weiß nicht.«
»Meine
Mutter hatte die gleichen Augen«, meinte er und setzte mit leichtem Bedauern
dazu. »Sie sind wohl auffälliger als ich dachte.«
Nina
zuckte vage mit den Schultern.
»Ich
habe farbige Kontaktlinsen probiert, aber die vertrage ich nicht. Deswegen die
Brille – eigentlich brauche ich keine.«
Er
verstummte und zum ersten Mal bemerkte Nina einen Anflug von Nervosität bei ihm.
Seine Finger trommelten auf seinem Oberschenkel herum. Da sie nicht einschätzen
konnte, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, machte es sie
ebenfalls unruhig. Die Minuten verstrichen. Nach einer Weile stand Nina auf, um
das Fenster zu schließen. Sie nahm sich eine Wolldecke aus dem Stapel Bettzeug
und wickelte sich darin ein.
Schließlich
stieß er die Luft einmal kurz und heftig durch die Nase aus. Mit beiden Händen
klopfte er sich auf die Oberschenkel. »Es wird noch eine Weile dauern, bis ich getan
habe, was ich tun muss. Vielleicht eine Woche, vielleicht länger. So lange
bleibst du hier. Danach kannst machen, was du willst. Ich nehme an, dein Mann
wird sich Sorgen machen, aber das kann ich nicht ändern.« Er zuckte mit den
Schultern. »Es kommt vor, dass Leute spurlos verschwinden.«
»Isabelle
hat dich gesehen!« Das war Nina herausgerutscht. Sie biss sich auf die Lippe.
Vielleicht war es nicht klug, ihn daran zu erinnern.
Er hob
die Brauen. »Leute neigen dazu, das zu vermuten, was man ihnen suggeriert. Sie
hat gleich angenommen, dass ich dein Mann bin. Und bis jemand auf die Idee
kommt, dass ich nicht er war, vergehen ein paar Tage. Da du so brav mitgemacht
hast, denken alle, du bist mit deinem heimlichen Lover durchgebrannt.« Der
Gedanke amüsierte ihn offensichtlich. »Und irgendwann bist du zurück und klärst
alle auf und dann ist es mir sowieso egal, weil ich bis dahin über alle Berge
bin.« Er drehte die Handflächen gen Himmel. »Einfach, aber effektiv. Damit du
unterdessen nicht auf dumme Gedanken kommst«, sagte er und stand auf, um etwas
aus einer mitgebrachten Tasche zu holen, »möchte ich, dass du das hier nimmst.«
Er hielt ihr eine Tablettenschachtel hin. »Du musst dir keine Sorgen machen,
für die Zeit, die du hier bist, geht das in Ordnung. Das macht es uns beiden
leichter.«
Zögernd
griff sie nach der Packung. »Ein Schlaf- und Beruhigungsmittel? Warum?«
»Warum?
Hey, Mädchen, glaubst du, ich hab nichts Besseres zu tun, als die ganze Zeit
auf dich aufzupassen, damit du keinen Quatsch anstellst?«
»Ich
hab dich nicht darum gebeten mich mitzunehmen.«
In
komischer Verzweiflung rieb er sich über den Kopf. »Dass du mich
wiedererkennst, war nicht eingeplant! Jetzt muss ich dich aus dem Weg haben,
also keine Diskussion! Du nimmst das Zeug und Schluss.« Aufgebracht stapfte er
ein paar Schritte durch den Raum. Dann blieb er vor Nina stehen. »Also los!
Schluck schon!«
Nina
drehte die Schachtel in den Händen. »Es ist verschreibungspflichtig.«
Er riss
die Augen auf. »Na und?«
Kopfschüttelnd
reichte sie ihm die Tabletten zurück. »Ich verspreche dir, dass ich keinen
Ärger mache, aber das hier nehme ich nicht.«
»Das
war keine Bitte, Nina! Du nimmst das Zeug, und zwar genau jetzt!«
»Nein.«
Sie postierte sich direkt vor ihm. Ihr
Weitere Kostenlose Bücher