Judasbrut
zitterte.
Nach
einer Weile setzte er sich wieder gerade hin und rieb noch einmal heftig über
seine Augen. »Ich weiß, manchmal bin ich ein Arschloch«, sagte er mit belegter
Stimme. »Ich könnte den Kerl erwürgen, der ihr das angetan hat. Was machen wir
denn jetzt?«
»Bist
du dir sicher, dass sie nicht zu Hause war?«
»Ziemlich.
Aber vielleicht täusche ich mich. Wir könnten in der Nachbarschaft fragen, ob
jemand gestern Abend etwas gehört hat.«
»Gut,
am besten machst du das, weil die Leute dich kennen. Weißt du, mit welcher
Kollegin sie sich gestern treffen wollte?«
»Sie
hat mir den Namen gesagt, aber den hab ich vergessen.«
»Hast
du Telefonnummern von ihren Kollegen? Ich frag mich einfach durch und versuche
mit derjenigen zu reden, mit der sie gestern verabredet war. Ist zumindest ein
Versuch.«
Beide
standen auf. Jens berührte Maria an der Schulter. »Glaubst du … sie
hat sich etwas angetan?«
Auch
Maria hatte daran gedacht, doch sie schüttelte entschiedener den Kopf, als ihr
zumute war. »Dazu ist sie nicht der Typ.«
»In
unserem Job hat man Pferde kotzen sehen«, meinte Jens düster.
»Vor
der Apotheke. Und mit dem Rezept hinter dem Ohr«, fügte Maria hinzu. »Komm
schon – wir finden sie.«
Ein
halbes Dutzend Telefonate später saß Maria in der Küche und starrte auf das
Blatt, auf dem sie Namen und Telefonnummern notiert hatte. Schließlich nahm sie
noch einmal ihr Handy, um ihren Vater zu überreden, an ihrer Stelle mit Franzi
ins Kino zu gehen.
»Passt
schon«, brummte Hermann Ammon. »Aber meinst nicht, du kannst deine Arbeit am
Wochenende a weng in Ruh lassen?«
Maria
seufzte. »Papa, es geht um eine Freundin von mir. Ich kann sie nicht hängen
lassen.«
»Ja, is
recht.«
Maria
war froh, dass sie nicht Franzi selbst am Telefon gehabt hatte. Ihre Tochter
wäre sicher nicht so ruhig geblieben. Andererseits enthielt die milde Art ihres
Vaters mehr Vorwurf als Franzis offen geäußerte Kritik. Aber darum musste sie
sich später kümmern, denn gerade kam Jens zurück.
»Oh
Mann, warum hört und sieht eigentlich nie jemand was, wenn es wichtig ist«,
knurrte er. »Nur das übliche Geschwätz. Dasselbe wie immer, wenn wir … «
»Vergiss
die Befragung, Jens.«
Er
fasste an die Arbeitsplatte, als drohe er im nächsten Moment umzufallen. »Was
ist mit Nina?«
»Das
weiß ich noch nicht, aber das werden wir hoffentlich gleich herausfinden. Wir
fahren zu Ninas Kollegin.«
»Warum?«
»Erzähle
ich dir unterwegs.«
Kurz
darauf brausten sie in Richtung A 73. »Ninas Kollegin heißt Isabelle Schad und wohnt in Fürth«,
informierte Maria Jens, als sie an einer Ampel eine Vollbremsung machen musste,
weil der Wagen vor ihr anhielt, anstatt über Gelb zu fahren. »Allmächd! Muss
das jetzt sein!«
Jens
sah sie skeptisch von der Seite an. »Ganz ruhig.«
»Alles
klar«, meinte Maria seufzend. »Also, diese Frau Schad hat sich gestern
Nachmittag gegen halb vier mit Nina in dem neuen Eiscafé im Palais Sutterheim
getroffen. Sie sagte, irgendwann seiest du aufgetaucht und … «
»Was?
Ich?«
Maria
winkte ab. Gleichzeitig gab sie Gas, weil die Ampel umschaltete. »Halt mal kurz
die Luft an und lass mich zu Ende erzählen. Du hättest dich dazu gesetzt und
Frau Schad ist bald gegangen, weil sie den Eindruck hatte, sie störe. Du hast
gesagt, ihr hättet etwas vor, wovon Nina noch nichts wüsste.«
Jens
wirkte, als hätte ihn jemand mit eiskaltem Wasser übergossen. »Wie bitte?«
»Die
Frage ist, wer es war, wenn nicht du?«, sagte Maria ernst. »Deswegen fahren wir
zu Frau Schad und bitten Sie, uns den Mann zu beschreiben.«
Jens
sagte nichts, sondern sah Maria stumm an. Seine widerstreitenden Gefühle
standen ihm ins Gesicht geschrieben.
»Falls«,
sie hob den Zeigefinger, »falls die Vergewaltigung ein Bluff war und falls Nina
also tatsächlich einen Freund hat … « Jens
rieb sich mit einer Hand über Mund und Nase und sah aus dem Seitenfenster. »Ist
es vielleicht zufällig jemand, den du anhand der Beschreibung erkennst. Aber
eigentlich wäre es viel zu auffällig, diesen Typ ausgerechnet ihrer Kollegin
als ihren Mann vorzustellen. Irgendwie hab ich ein komisches Gefühl.«
»Nämlich?«
Jens klang nicht sonderlich überzeugt.
»Eben
das weiß ich nicht.«
»Maria,
du übertreibst! Nina ist bestimmt bei diesem Kerl, der sie geschwängert hat,
dir hat sie erzählt, sie sei vergewaltigt worden, und ich darf jetzt warten,
bis sie sich herablässt, zurück zu kommen.«
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