Judasbrut
ein Lächeln. »Ich rauch nicht mehr.«
Im
Rausgehen öffnete Isabelle eine Schublade und warf Jens Zigaretten zu. Jens
starrte die Packung an. Es dauerte noch zehn Sekunden, dann stand er auf und
stapfte durch die Terrassentür hinaus.
Maria
lehnte sich im Sessel zurück und ging ihre Notizen durch, ergänzte hier und da
etwas und machte sich Anmerkungen. An der bisherigen Beschreibung gab es nichts
Besonderes. Im Geiste ging Maria verschiedene Menschentypen durch, die sie im
Kopf hatte, doch sie hatte einfach noch zu wenig Anhaltspunkte. In jedem Fall
war es gut, dass Isabelle versuchen wollte, den Mann zu zeichnen. Sie kritzelte
ein paar Kringel an den Rand ihrer Notizen. Etwas ging ihr seit geraumer Zeit
durch den Kopf.
Das
Wort ›Vergewaltigung‹ war eher eine Schlussfolgerung Marias gewesen, Nina
selbst hatte es nie in den Mund genommen und jedes Mal den Kopf geschüttelt,
wenn sie darauf angesprochen wurde.
Maria
rieb sich die Schläfen. Das musste nichts heißen. Viele Frauen versuchten zu
ignorieren, was mit ihnen geschehen war. Sie gaben sich selbst die Schuld – auch
das hatte Nina getan. Vieles sprach dafür, dass Nina den Mann kannte und aus
irgendwelchen Gründen zu schützen versuchte. Aber warum genau? Oder hatte sie
ihren Mann doch vorsätzlich betrogen? Trotz allem konnte Maria das nicht
glauben.
Gerade
trug Isabelle ein Tablett hinein und stellte es auf den Tisch.
»Mir
ist gerade etwas eingefallen … «, sagte sie und war schon
wieder draußen. Als sie diesmal zurückkam, hatte sie einen Zeichenblock,
Bleistifte und Radiergummi sowie ein Netbook dabei. »Ich habe die ganze Zeit
überlegt, an wen der Mann mich erinnert hat. Wissen Sie, es ist schwierig, jemanden
ganz und gar aus dem Gedächtnis zu zeichnen. Es ist leichter, wenn man
Anhaltspunkte hat, ein Foto, oder jemandem, der demjenigen ähnelt. Also,
jedenfalls war ich vor ein paar Wochen mit meinem Freund im Kino und ich
glaube, der Hauptdarsteller passt vom Typ her.«
»Wer
denn?«, fragte Maria.
Isabelle
hatte das Netbook angeschaltet. »Ich weiß nicht mehr, wie er heißt, aber ich
schau mal nach. Es gibt bestimmt Bilder im Internet.«
Während
sie suchte, rührte Maria ihren Cappuccino um und Jens kam von draußen herein.
Er wirkte unwesentlich ruhiger, als er Isabelle über die Schulter sah.
»Was
suchen Sie?«
»Einen
Schauspieler, den ich letztens im Kino … ah, da – Jason
Statham.« Sie klickte sich durch die Bildergalerie bis zu einer Großaufnahme,
nahm den Zeichenblock und einen Bleistift, auf dem sie herumknabberte, bevor
sie mit wenigen Strichen zu skizzieren begann. »Ich versuch’s mal .«
Maria
beobachtete Jens, dem der Typ Mann Jason Statham genauso wenig zu sagen schien
wie Maria. Zumindest schien es also kein naher Bekannter zu sein. Konzentriert
zeichnete Isabelle ein bartloses Männergesicht und veränderte dabei einige
Details im Vergleich zu dem Foto des Schauspielers. Die Nase wurde schmaler und
größer, die Augenbrauen dichter, die Lidfalte um die Augen ausgeprägter. Die
Lippen waren eine Spur voller. Seine Haare waren genau wie bei der Vorlage sehr
kurz rasiert. An den Augen radierte Isabelle mehrfach herum, bis sie
schließlich einen leicht melancholischen Ausdruck hatten. Umrahmt wurden sie
von einer rechteckigen Brille mit dunklem Gestell.
»So
ungefähr. Seine Augen standen nicht ganz parallel, wissen Sie, ein Silberblick
wie beim Highlander, also bei Christopher Lambert. Der Ausdruck passt jetzt
halbwegs.«
»Sie
haben ein gutes Gedächtnis«, sagte Maria bewundernd. »Die meisten Menschen
erinnern sich nicht besonders gut an Leute, die sie nur kurz gesehen haben.«
Isabelle
zuckte mit den Schultern. »Na ja, es gibt Menschen, die haben eine
Ausstrahlung. An die erinnert man sich einfach, vor allem, wenn man darauf
angesprochen wird. Schauen Sie mal, seine Statur, war ungefähr so … «
Diesmal zeichnete sie nur die Umrisse des Mannes. Er besaß breite Schultern und
eine übertrieben stramme Haltung.
»Hat
ein bisschen was von einem Soldaten«, fand Maria.
Isabelle
legte den Kopf schief, um ihre eigene Zeichnung zu betrachten. »Stimmt.« Sie
lächelte. »Ist manchmal komisch, wenn ich zeichne. Ich hätte das nicht erklären
können. Können Sie damit was anfangen?« Sie gab Maria beide Zeichnungen.
»Ja,
sicher. Auf jeden Fall vielen Dank für ihre Mühe.«
Eigentlich
ein Allerweltsgesicht, dachte Maria. Und trotzdem hatte sie bei längerer
Betrachtung den Eindruck, es irgendwo
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