Judasbrut
ihre Vermutung unterstrich oder bestenfalls widerlegte.
Geschwind suchte sie zuerst in der Küche, im Schlafzimmer, schließlich im Bad – und
wurde fündig. Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer traf sie auf Jens, dem Maria
ansah, dass er kein Glück gehabt hatte.
Ȇberall
Fehlanzeige. Ich muss wohl warten, bis sie kommt«, sagte er. »Danke, dass du
hier warst, Maria, ich ruf dich an, sobald … «
»Gehen
wir ins Wohnzimmer.« Nachdrücklich schob sie den überraschten Jens in Richtung
Sofa. Es hatte keinen Sinn, lange um den heißen Brei herumzureden: »Hat Nina
die Pille genommen?«
Verblüfft
riss Jens die Augen auf. »Ja, schon. Ich meine, bisher wussten wir ja nicht, ob … «
Maria
warf eine leere Packung des Verhütungsmittels auf den Tisch. »Tut mir leid,
dass ich nicht vorher gefragt habe, aber … ich
habe mich gerade umgesehen und diese leere Schachtel ist die einzige, die ich
gefunden habe. Ich würde sagen, sie nimmt sie nicht mehr.«
»Nicht?«,
fragte Jens verwirrt.
Wortlos
reichte Maria ihm den Schwangerschaftstest, den sie im Badezimmerschrank in
einer Packung Damenbinden gefunden hatte. Jens blickte auf die beiden Linien.
Sein Gesicht war plötzlich wie eine Maske. Es hatte alle Farbe verloren.
»Jens,
bevor du irgendetwas sagst, hör mir zu … «
»Ich
glaube, da gibt es nicht viel zu sagen.«
Nicht
zum ersten Mal sah Maria einen Menschen, der wie eine scharfe Bombe wirkte, die
jeden Moment zu explodieren drohte. »Doch, Jens, dazu gibt es eine Menge zu
sagen«, erwiderte sie mit fester Stimme. »Nina wurde vergewaltigt. Wenn sie
also nicht von dir schwanger sein kann, dann ist es das Kind von dem Täter.«
»Was?«
Jens wurde leichenblass. »Sie wurde … vergewaltigt ?
Wann?«
Maria
nickte. »Ich habe dir auch nicht die Wahrheit gesagt.« In knappen Worten
berichtete sie Jens von ihrem Gespräch mit Nina beim Joggen. »Sie wollte keine
Anzeige erstatten, obwohl ich alles versucht habe, sie davon zu überzeugen. Sie
wollte das alles vergessen. Danach habe ich nicht mehr mit ihr darüber
gesprochen. Gestern Nachmittag bekam ich eine SMS, dass sie mit mir dringend
sprechen müsse. Es sei wichtig und du wüsstest immer noch nichts. Ich nehme an,
sie wollte mir sagen, dass sie schwanger ist und mit mir überlegen, was sie
jetzt tun soll.«
Jens
saß mit versteinertem Gesicht auf dem Sofa. »Warum hat sie mir das nicht
erzählt?«
Maria
antwortete nicht sofort. »Sie hatte einfach Angst, dass du ihr nicht glaubst
und ganz ehrlich – so ganz unberechtigt war es nicht, oder?«
Unbehaglich
bewegte Jens seine Schultern. »Ja«, gab er zu. »Aber sie hätte … «
Beschwichtigend
hob Maria eine Hand. »Hör auf, Vorwürfe bringen dir nichts und ihr erst recht
nicht.«
In Jens
Gesicht arbeitete es. »Vielleicht hätte sie es mir nie gesagt!«
»Sie
hätte dir was nicht gesagt?«
»Dass
ich nicht der Vater bin.« Jens wirkte plötzlich verkniffen. »Stell dir vor,
wenn ich den Test nicht hätte machen lassen. Dann hätte sie mich glauben
lassen, es sei mein Kind, obwohl … «
»Nun
mach aber mal einen Punkt, Jens! Bist du mal auf die Idee gekommen, dass sie
selbst noch gar nicht so weit gedacht hat? Kannst du dir vorstellen, wie es ihr
ging? Was sie durchgemacht hat in der Nacht? Herrgott, du hast doch schon genug
Frauen gesehen, die so etwas erlebt haben. Als Nina mit mir gesprochen hat, war
sie total fertig. Sie wollte nicht mehr daran denken. Es einfach vergessen!
Nina ist traumatisiert! Sie hat es verdrängt!« Und ich auch, dachte Maria, bei
der sich ihr schlechtes Gewissen meldete. Sie hätte es nicht auf sich beruhen
lassen dürfen. »Außerdem wünscht sie sich schon lange ein Kind, sie hat
heimlich die Pille abgesetzt und dann ist sie schwanger. Sie hat sich gefreut
und gehofft, dass du das auch tust. Sie hat einfach nicht mehr an diesen Kerl
gedacht! Vermutlich wollte sie dir am Dienstag von dem Baby erzählen und
stattdessen bekommt sie die volle Breitseite ab, weil du nicht der Vater sein
kannst. Vielleicht … vielleicht lässt sie gerade irgendwo heimlich abtreiben. Versuch
einfach mal zu verstehen, was in ihr vorgeht!« Maria hatte sich in Rage
geredet. Sie war aufgesprungen.
Jens
drückte seine Handballen vor die Augen. »Ja!«, schrie er und seine Stimme
überschlug sich. »Scheiße! Ja, du hast recht! Aber ich … ich
kann nicht … verdammt, Nina!«
Seufzend
setzte sich Maria neben ihn, zögerte kurz, doch dann nahm sie ihn in die Arme.
Sie spürte, dass er
Weitere Kostenlose Bücher