Judasbrut
schwach. Ihr Herz
klopfte ihr bis zum Hals, als er auf sie zu kam. Er war kreidebleich und wirkte
unsicher. Seine Hände waren in den Hosentaschen vergraben. Nina hatte ihre Arme
um den Oberkörper geschlungen. Dann stand er vor ihr. Was sollte sie ihm sagen?
»Wo
warst du?«, fragte er nach einigen Sekunden, die ihr wie eine halbe Ewigkeit
vorkamen.
Sie
öffnete den Mund zu einer Antwort, doch heraus kam nur ein trockenes
Schluchzen. Sie kniff die Augenlider zusammen, presste eine Hand vor ihren Mund
und stand zitternd einfach nur da. Plötzlich fühlte sie, wie Jens zaghaft ihre
Schulter berührte.
»Hey«,
sagte er schlicht.
Sie
konnte nicht anders, sie drückte sich an ihn, barg ihren Kopf an seiner
Schulter und weinte. Erleichtert spürte sie, dass er sie umarmte.
»Warum
hast du mir nichts gesagt?«, fragte er leise, doch sie hörte den Vorwurf in
seiner Stimme.
»Was
meinst du?«, fragte sie unsicher.
Er
rückte ein Stück von ihr ab, sah sie nicht an, sondern fixierte irgendwo einen
Punkt neben ihrem linken Ohr. Auch er schien nicht zu wissen, was er sagen
sollte. Er räusperte sich. »Von diesem Typ … Maria
sagt, er hat dich … hat er dich … ?« Er ließ den Rest der Frage unausgesprochen.
Nina
senkte den Blick. Sie konnte nicht einfach nicken.
»Wo
warst du?«, wiederholte Jens seine Frage.
Ein
schwarzer Wagen mit Münchner Kennzeichen stoppte unweit von ihnen.
KPI Erlangen
»Elfriede? Hier ist Maria. Wo
ist Paul? Ich erreiche ihn nicht auf seinem Handy … oh … ach so … falls
er bis dahin noch nicht da ist: Ich schicke einen Mann zu euch … nein … lass
ihn bitte, bitte rein und frag nicht weiter, ja?« Maria lachte kurz auf.
»Genau. Und sag Paul einen schönen Gruß von mir, ich melde mich, sobald ich
kann … Du bist ein Engel, danke.« Sie legte auf und sah zu Perez.
»Holzapfel. Großreuther Straße 17 b in Marienberg. Weißt du, wo das ist?«
»Ungefähr«,
antwortete Perez, während er in die Schornbaumstraße einbog.
»Paul
ist beim Arzt, müsste aber bald zurück sein. Du kannst ihm vertrauen!«, sagte
Maria eindringlich. »Am besten lässt du mich einfach hier raus und ich melde mich,
so schnell ich kann. Und tu mir einen Gefallen und fahr nicht in die
Uniklink. Sag Paul oder Elfriede, sie sollen da anrufen und sich erkundigen.
Entfernte Verwandte – Paul fällt bestimmt was Passendes ein.«
Mit
seinen Fingerspitzen tippte Perez auf dem Lenkrad herum, blieb aber eine
Antwort schuldig.
Sie
stieg aus. Als sie bereits auf dem Gehweg stand, erblickte sie nur ein paar
Meter entfernt Jens und Nina.
»Maria!«
Er kam
auf sie zu und auch Nina machte einen Schritt in ihre Richtung. Bevor Maria sich
von ihrer Überraschung erholen und Perez warnen konnte, damit er schnell
weiterfuhr, hielt Jens mitten in der Bewegung inne. Wie paralysiert starrte er
Perez an, der unglücklicherweise weder Baseballkappe noch Sonnenbrille trug. Es
dauerte kaum länger als einen Herzschlag, doch Maria vermutete, dass Jens ihn
erkannt hatte – im Gegensatz zum ahnungslosen Perez, der mit neutraler Mine
herübersah. Gerade als Maria ansetzen wollte, etwas zu sagen, ging Jens mit
großen Schritten vor dem Kühler entlang und riss die Fahrertür auf.
»Aussteigen!«
Sichtlich
verblüfft blieb Perez sitzen, warf erst Maria, dann Nina einen fragenden Blick
zu. »Kennen wir uns?«, fragte er ruhig.
Maria
hatte jedoch den Eindruck, dass ihm plötzlich klar war, wer da vor ihm stand.
Perez war lange genug im Dienst, um ein Gespür für solche Situationen zu haben.
Von
oben herab funkelte Jens ihn an. »Ist das hier der Kerl, Nina?«
Spätestens
jetzt musste Perez begriffen haben. Er behielt sein Pokerface. Nina hatte es
völlig die Sprache verschlagen. Jens wandte ihr den Kopf zu. Ihr verstörter
Gesichtsausdruck verriet ihm mehr, als im Moment gut war.
»Jens,
das ist ein Bekannter von mir«, versuchte Maria ihn zu beruhigen, während sie
dabei den Wagen umrundete.
Jens
ignorierte Marias Einwurf. Er musterte Perez wie ein Habicht seine Beute. »Wie
heißen Sie?«
Der
schien zumindest äußerlich weiter unbeeindruckt. »Georg Wiesinger. Ich komme
aus München. Ich wollte nur Maria aussteigen lassen und nicht die Straße
blockieren. Wenn Sie zurücktreten, fahre ich gleich weiter.«
An Jens
Schläfe zuckte ein Muskel. Seine Fäuste öffneten und schlossen sich. »Steigen
Sie aus. Ich möchte Ihre Papiere sehen.« Als Perez keine Anstalten machte, der
Aufforderung zu folgen, setzte er
Weitere Kostenlose Bücher