Judasbrut
lauter
geworden.
Nina
sah aus, als würde sie jeden Moment umfallen. »Woher weißt du … ?«
»Ja, da
staunst du, was? Hast du etwa gedacht, du kannst mich verarschen?«
»Stopp!«
Maria hob eine Hand. »Es reicht jetzt.«
»Halt
dich raus!«, fuhr Jens nun Maria an. »Wahrscheinlich hast du sowieso das ganze
Wochenende gewusst, wo sie steckt!«
»Nein!
Habe ich nicht!«
»Und
wer war das dann gerade eben? Dein Bekannter ? Warum sieht er rein
zufällig genauso aus wie der Kerl, den diese Lehrerin gezeichnet hat?«
Innerlich
zählte Maria bis drei, bevor sie antwortete. Ihre Stimme war sehr ruhig. »Du
hast recht, Jens, es ist kein Zufall. Es gibt eine ganze Menge zu sagen, und
bevor du Nina verurteilst, solltest du es dir wenigstens anhören. Allerdings
wäre es gut, wenn wir das nicht hier auf der Straße tun würden. Nina, ich
übernehme das und du fährst. Hast du ein Auto?«
»Ja,
aber ich würde lieber hierbleiben und … Jens
erklären…« Unsicher trat sie von einem Fuß auf den anderen.
Nur zu
gut verstand Maria das Bedürfnis ihrer Freundin, ihrem Mann endlich reinen Wein
einzuschenken. »Nina«, sagte sie sanft. »Es ist noch komplizierter geworden,
verstehst du. Es wäre einfach besser, wenn … wenn
du warten könntest.« Sie sah Nina mitfühlend an. »Es ist schwer, aber du weißt
doch, worum es geht, oder?«
»Ich
hab keinen Schlüssel«, sagte Nina kleinlaut und schielt zu Jens, der mit
Gewittermiene danebenstand.
Mit
einer unwirschen Bewegung zog er den Schlüssel aus seiner Hosentasche und warf
ihn ihr zu. Nina trat langsam den Rückzug an.
Vorsichtig
atmete Maria auf. »Jens, würdest du bitte mit in mein Büro kommen?«, sagte sie
ernst.
Jens
gab keine Antwort. Doch als Maria sich in Bewegung gesetzt hatte, folgte er
ihr. Während sie die Straße zum Haupteingang überquerte, fuhren zwei Wagen auf
den gesicherten Hof der Polizeiinspektion. In einem davon erkannte sie ihren
Kollegen Jochen, in dem anderen saß eine Frau – Sara
Eichmüller, wie sie vermutete. Maria bat Jens, schon einmal vorzugehen.
»Maria!
Wo warst du?«, rief Jochen, der gerade ausstieg.
Sie
winkte ab und warf dabei einen schnellen Blick auf Sara Eichmüller, die gerade
aus dem Auto geholt wurde. »Franzi hatte einen kleinen Unfall. Ich komme gleich
rüber zur Vernehmung«, sagte sie. »Fangt nicht ohne mich an – nur
die Formalitäten.«
»Traust
du uns das nicht zu?«, fragte Jochen indigniert und fühlte sich offenbar auf
den Schlips getreten, weil ihm die Verantwortung so rigoros entzogen wurde.
»Ich
habe die Leitung des Falls, Jochen. Danke, dass du vorhin eingesprungen bist.«
»Bitte
sehr«, knurrte Jochen ärgerlich. »Falls es dich interessiert, wir haben einen
Abschiedsbrief von Leibl gefunden – zumindest Teile davon. Unsere liebe Frau Doktor hat nämlich versucht, ihn
aufzuessen.«
»Oh.«
Angewidert grinste Maria. »Was stand denn drin?«
Jochen
holte eine Tüte mir feuchten Papierresten, auf denen Satzteile aus zerlaufener
Tinte zu erkennen waren. »Das ist alles, was wir retten konnten. Leibls Freund,
dieser Bennett … sag mal, sind die beiden eigentlich schwul?«, fragte Jochen und
schien seinen Ärger über Marias Intervention bereits vergessen zu haben.
»Ja,
seit fünfzehn Jahren liiert.«
»Kein
Wunder, dass Bennett so mit den Nerven am Ende war. Er sagte, er hat den Brief
auf Leibls Küchentisch gefunden und daraufhin im ganzen Haus nach ihm gesucht.
Er war übrigens sehr überrascht, dass Frau Eichmüller plötzlich da war.
Angeblich wusste er davon nichts – na ja,
wer’s glaubt.«
Maria
hörte mit verschränkten Armen zu und zuckte nur mit den Brauen. »Was steht nun
in dem Brief?«
»Man
kann kaum noch was entziffern und Bennett konnte sich nicht erinnern, aber
vielleicht fällt ihm das ja später noch ein. Er ist jetzt übrigens in der
Klinik bei Leibl.«
Stirnrunzelnd
versuchte Maria auf den Papierfetzen etwas zu lesen, doch der Speichel hatte
die Tinte sehr verwischen lassen. »… kann nic… leben m… Schuld … «, las
sie laut.
Jochen
drehte die Handflächen gen Himmel. »Die Frage ist, was genau er meint. Mal
schauen, ob Frau Eichmüller es uns verrät. Die hat ihn wohl gelesen. Also, bis
gleich.«
Maria
enthielt sich eines Kommentars, denn Sara würde nichts dazu sagen, vor allem
nicht, da sie vorher versucht hatte, den vermeintlichen Beweis zu vernichten.
Vor
ihrem Büro traf sie auf Jens. Mit verschlossener Miene gab er sich alle Mühe so
zu wirken, als
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