Judaswiege: Thriller
zu sein und erledigten ihre Aufgabe methodisch und professionell. Sam hoffte inständig, dass sie etwas finden würden, das sie weiterbrachte, während er durch das Fenster auf das Einkaufszentrum blickte. Das Internetcafé, dessen offenes Funknetzwerk er verwendet hatte, war keinen Steinwurf von dem Zimmer entfernt. »Mist«, rief Sam und haute mit der Hand gegen den Türrahmen. Der Astronaut, der mit einem kleinen Sauger Partikel in dem winzigen Flur des schäbigen Zimmers sammelte, schaute irritiert zu ihm auf. Sam beachtete ihn nicht weiter. Er brauchte dringend frische Luft.
Vor dem Motel, das zu einer der großen Ketten gehörte, setzte er sich auf einen Betonpoller, der an der Zufahrt zum Parkplatz stand, und wartete. Worauf, darüber war er sich selbst nicht ganz im Klaren. Als sich Klara mit einer verheißungsvollen Tüte und zwei Bechern Kaffee neben ihn setzte, wurde es ihm klar. Und er freute sich umso mehr, dass es Klara war, die ihm seine heißgeliebten Süßigkeiten brachte – wie früher. Er lächelte sie dankbar an und nippte an dem wie immer viel zu heißen Getränk.
»Haben sie schon etwas gefunden?«, fragte Klara.
Sam schüttelte den Kopf: »Nein, aber eine DNA-Spur sollte schon drin sein, denke ich. Er wird sich ja kaum die ganze Zeit in ein Ganzkörperkondom gewickelt haben, wie du das gerne mal machst.«
»Hey«, sagte Klara mit erhobenem Zeigefinger. »Kein Wort über meine Anzüge, okay? Sie haben dir oft genug den Arsch gerettet. Früher.«
»Ich weiß, ich weiß«, seufzte Sam.
»Und was jetzt?«
Sam dachte darüber nach, aber es gelang ihm kaum. Er war müde, und um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können, brauchte er dringend Schlaf. Überhaupt hatte er davon in letzter Zeit viel zu wenig bekommen, stellte er fest.
»Wir schlafen drüber. Sorry, Klara, aber ich bin wirklich hundemüde«, gestand er, als schon wieder sein Handy klingelte. Bevor er dranging, versicherte er sich auf dem Display, dass es nicht Marin war, den konnte er jetzt gerade noch gebrauchen.
»Wesley, was gibt’s?«
»Ich habe einen Namen«, verkündete eine aufgeregte Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Was für einen Namen, Wesley?«, fragte Sam, dessen Müdigkeit auf einmal wie weggeblasen schien.
»Ihren Namen, Sam. Den von der Frau auf dem Foto. Den Namen des nächsten Opfers. Ihr Name ist Tammy Walker.«
»Und woher, Fähnrich Neunmalklug, wollen Sie das nun wieder wissen?«
»Na ja«, begann Wesley leicht verunsichert, »die Bildabgleichmethode funktioniert natürlich nicht nur bei illegalem Material, sondern auch ganz regulär. Die Software hat Tammy Walker anhand ihres Facebook-Profils identifiziert.«
»Kann man das glauben?«, sagte Sam zu Klara. »Er hat sie in Facebook gefunden.« Und, wieder ans Telefon gewandt: »Adresse?«
»437 Camelot Lane, Libertyville. Das ist ein reicher Vorort bei euch ganz in der Nähe, ihr braucht mit dem Auto etwa fünfzehn Minuten.«
»Wenn Klara fährt, zehn«, bemerkte Sam. »Dann machen wir es selbst, danke, Wesley.«
Sam warf Klara den Autoschlüssel zu: »Du fährst, so schnell du kannst. Aber lass mich gerade noch am Leben, wenn das möglich ist.«
Klara grinste und öffnete mit der Funkfernbedienung den Wagen. Sorgsam auf den Kaffee und die Donuts bedacht, hievte sich Sam auf den Beifahrersitz. Er hatte gerade den Sitzgurt geschlossen, da gab Klara Gas. Das war ein Fehler, dachte Sam, als er, von der Beschleunigung in den Sitz gepresst, die Sirene einschaltete. Gott, oder wer immer sich für dieses Auto verantwortlich fühlen mag, stehe uns bei.
Sie erreichten das noble Libertyville zwölf Minuten später. Wie Wesley versprochen hatte, lag das Haus von Tammys Eltern in unmittelbarer Nähe des Einkaufszentrums. Zufall?, fragte sich Sam. Sicher nicht, entschied er und versuchte, den Kaffeepegel in einer Rechtskurve gerade zu halten, um danach sofort die Beschleunigung auf der Geraden auszugleichen. Mit quietschenden Reifen bog Klara in eine asphaltierte Einfahrt, die unmittelbar in eine elegante Kiesauffahrt mündete. Am Ende der kurzen, stilvollen, aber keineswegs übermäßig protzigen Vorfahrt hielt Klara vor einer großen Villa im viktorianischen Stil.
»437 Camelot, Sir«, verkündete Klara wie ein Chauffeur, der zu diesem Anwesen gepasst hätte, aber dafür natürlich mit einem spöttischen, ganz und gar unenglischen Grinsen um die Mundwinkel. Sam drückte ihr als kleine Geste der Vergeltung die Donuts und die beiden Kaffeebecher in
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