Judith
seine Freiheit noch genießen, hatte er Judith gestanden.
»Lady Judith? « eine Magd, die sie nicht kannte, sprach sie unterwegs an.
»Draußen im Garten wartet ein Herr auf Euch. «
»Ein Herr? Ist es mein Gatte? «
»Ich weiß es nicht, Lady Judith. «
Judith lächelte. Gavin wollte wahrscheinlich ein Schäferstündchen bei Mondschein mit ihr. Sie zögerte keine Sekunde, sondern ging in den Garten. Draußen war es dunkel und kühl. Und es waren noch andere Paare im Garten, die sich in der Finsternis umarmten und küßten.
»Lady Judith? «
»Ja… « Sie konnte es nicht deutlich erkennen, aber sie sah einen jungen Mann mit strahlenden Augen, einer vorspringenden Nase und etwas zu vollen Lippen.
»Darf ich mich Euch vorstellen. Ich bin Alan Fairfax of Lincolnshire. «
Judith lächelte, als er ihre Hand ergriff und küßte.
»Sucht Ihr jemanden? « wollte er wissen.
»Ich glaubte, meinen Gemahl hier draußen zu finden. «
»Ich habe ihn hier nicht gesehen. «
»Kennt Ihr ihn? «
Alan grinste und zeigte seine weißen Zähne. »Ich habe Euch mit ihm gesehen. Ich habe mir jeden Mann, der in Eure Nähe kam, eingeprägt und ihn beneidet. «
Verwundert blickte Judith ihn an. »Ihr macht mir Komplimente, Sir. «
Alan reichte ihr seinen Arm. »Wollen wir uns einen Moment setzen, während wir auf Euren Gemahl warten? « Als Judith zögerte, fügte er schnell hinzu: »Seht, die Bank steht nicht versteckt, und ich möchte nichts weiter von Euch, als daß Ihr einem einsamen Ritter etwas Gesellschaft leistet. «
Die Bank wurde vom Licht einer Fackel erhellt, die in einem Eisenring in der Gartenmauer steckte. Judith konnte ihren Begleiter genauer ansehen. Sie fühlte sich nicht wohl in dieser Situation. Der letzte Mann, mit dem sie sich unterhalten hatte, war Walter Demari gewesen, und das hatte in einer Katastrophe geendet.
»Ihr scheint Euch nicht wohl zu fühlen, Lady. «
»Ich bin das Leben hier bei Hofe nicht gewöhnt. In meiner Nähe sind nur mein Gatte und seine Brüder… «
»Hier bei Hofe pflegt man den gesellschaftlichen Umgang mit Damen und Herren. Man freundet sich an und genießt das Zusammensein. « Er griff nach ihrer Hand. »Ich würde gern Euer Freund sein. «
Judith machte sich von seinem Griff frei und erhob sich. »Ich möchte in den Saal zu meinem Gemahl zurückkehren. «
Er war sofort dicht neben ihr. »Es besteht kein Grund, sich seinetwegen Gedanken zu machen. Er ist genügend abgelenkt. Er ist mit Euer Freundin Lilian Chatworth zusammen. «
»Nein, Ihr wollt mich beleidigen! «
»Niemals! « Alan starrte sie verwirrt an. »Nichts liegt mir ferner. Was hat Euch so erregt? «
In Judiths Kopf überschlugen sich die Gedanken. Gavin war mit Lilian zusammen! Vielleicht hatte er es so arrangiert, daß sie von einem anderen Mann abgelenkt wurde. Aber sie hatte keine Lust, sich mit einem Fremden abzugeben.
»Ich muß gehen«, erklärte sie hastig und drehte sich um.
»Wo bist du gewesen? « fragte Gavin, der ihr entgegenkam.
»Bei meinem Liebhaber«, antwortete sie kühl. »Und du? «
Seine Hände spannten sich schmerzhaft um ihren Oberarm. »Willst du mich wütend machen? «
Sie zuckte nur mit den Schultern.
»Judith! «
Ruhig hielt sie seinem Blick stand. »War Lady Lilian Chatworth heute abend nicht ganz besonders schön? Goldener Stoff paßt gut zu ihrem Haar und zu ihren Augen, findest du nicht auch? «
Er lockerte seinen Griff und grinste. »Ich habe sie mir nicht so genau angesehen. Bist du etwa eifersüchtig auf sie? «
»Habe ich Grund dafür? «
»Nein, Judith, Und ich habe dir doch erklärt, daß sie mir nichts mehr bedeutet. «
Ihr Mund verzog sich bitter. »Als nächstes versuchst du, mir weiszumachen, daß du mich liebst, was? «
»Ja! « Gavin sprach so leidenschaftlich, daß sie fast erschrak.
Ihr Herz begann zu rasen. »Ich weiß nicht, ob ich dir das abnehmen würde«, sagte sie ruhig. Habe ich Angst, daß ich ihm dann auch meine Liebe eingestehen könnte? fragte sie sich nervös. Würde er sie dann auslachen? Würde er Lilian in seinen Armen halten und sich gemeinsam mit dieser Frau über sie, die naive Judith, amüsieren?
»Komm mit hinein! « brummte Gavin. »Es ist schon spät. «
Irgend etwas lag in seiner Stimme, das in Judith den Wunsch weckte, sich an seine Brust zu werfen. Doch sie tat es nicht.
»Und du willst morgen aufbrechen? « fragte Gavin, während er sich den Schweiß vom Gesicht wischte. Er war seit Sonnenaufgang auf dem großen
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