Judith
einem Bein festgebunden war. Der Mann ließ einen Köder langsam um den Vogel kreisen.
»Ist das ein neuer Köder? « fragte Gavin.
Der Mann mit Namen Simon nickte. »Ja, Herr. Er ist kleiner, und ich kann ihn schneller schwingen. Der Vogel ist gezwungen, schneller zu fliegen. Und so fühlt er sich mehr wie in den Lüften. «
»Gute Idee«, meinte Gavin.
»Oh, die ist nicht von mir. Lady Judith hat mir das geraten. «
Gavin glaubte, nicht richtig zu hören. »Lady Judith? Sie hat dir, dem Meister-Falkner, raten können? «
»Ja, Herr. « Simon grinste. »Eure Frau ist so klug wie sie schön ist. Sie hat mir noch mehr Vorschläge gemacht. Kommt mit und seht Euch die neuen Sitzstangen an, die ich angefertigt habe. Lady Judith sagte, daß die alten schuld daran waren, daß die Vögel wunde Füße hatten. Sie sagte was von Milben und so. «
Als Gavin ihm nicht folgte, blieb Simon stehen. Er ahnte nicht, was in seinem Herrn vorging. Gavin fragte sich, wie Judith es fertig gebracht hatte, den alten Falkner zu solchen Änderungen zu bewegen. Weder von seinem Vater noch von ihm hatte sich Simon jemals etwas sagen lassen.
»Wollt Ihr es Euch nicht ansehen, Herr? « fragte Simon.
Gavin schüttelte den Kopf. »Nein, ich komme später. « Er war ärgerlich auf Judith. Woher nahm sie sich das Recht, sich in seine Angelegenheiten zu mischen? Das war reine Männersache!
»Guten Tag, Herr! « rief eine Magd und errötete bis unter den Haaransatz, als Gavin sie anstarrte. Sie machte einen tiefen Knicks und hielt ihm einen Krug hin. »Ich dachte, daß Ihr vielleicht eine Erfrischung möchtet. «
Gavin lächelte. Da war endlich eine Frau, die wußte, wie sie sich zu verhalten hatte. Er sah der Magd tief in die Augen, während er trank. Doch dann wurde sein Interesse auf das Getränk gelenkt.
»Das ist gut. Was ist das? «
»Walderdbeeren, frisch gepflückt. Gekocht mit dem Most vom letzten Jahr. Und etwas Zimt ist dran. «
»Zimt? «
»Ja, Herr. Lady Judith hat dieses Gewürz mitgebracht. «
Unwillig drückte Gavin der Magd den leeren Krug in die Hand und wandte sich ab. Er verlor allmählich die Ruhe. Waren denn alle hier verrückt geworden? Mit großen Schritten ging er zum anderen Ende der Burgmauer, wo die Waffenschmiede war. Dort würde er wohl vor Einmischungen seiner Frau sicher sein.
Aber auch hier erwartete ihn eine Überraschung. Der Schmied, ein mächtiger Mann mit muskulösem Oberkörper, saß am Fenster und nähte.
Gavins Augen weiteten sich. »Was soll das! « schrie er wütend.
Der Mann lächelte und hielt zwei Stücke Leder hoch. »Seht Euch das an, Herr. Die nehmen wir jetzt bei den Rüstungen statt der Scharniere. Sie sind viel geschmeidiger. Klug gedacht, was? «
Zwischen zusammengebissenen Zähnen fragte Gavin: »Woher ist diese Idee? «
»Von Lady Judith… « Der Waffenschmied zuckte verwundert die Schultern, als sein Herr aus der Schmiede stürmte.
Dieses Weib ist eine Plage! Sie führt hier lauter Veränderun gen ein, ohne meine Einwilligung! Mir gehört diese Burg. Ich habe hier zu bestimmen! Wenn etwas anders gemacht wird, dann nur, nachdem ich es angeordnet habe!
Gavin fand Judith in der Vorratskammer, einem großen Raum neben der Küche. Der Küchentrakt befand sich wegen der Brandgefahr außerhalb des Haupthauses.
Judiths Arme steckten bis zu den Ellbogen in einem Bottich mit Mehl. Gavin baute sich neben ihr auf und stemmte die Hände in die Hüften.
»Was hast du hier angerichtet! « fuhr er sie an.
Judith richtete sich auf. Obwohl Gavin wie eine drohende Mauer vor ihr stand, zeigte sie nicht die geringste Furcht.
»Dies ist mein Haus! « schrie er außer sich.
»Dein Haus? « Ihre Stimme klang ganz ruhig. »Und wer bin ich? Eine Küchenmagd? Wie redest du mit mir? «
Die Küchenmädchen drückten sich ängstlich an die Wände. Doch ihre Blicke ruhten voller Neugier auf Gavin und Judith, um sich nichts von dieser ungewöhnlichen Szene entgehen zu lassen.
»Du bist mein Eheweib, aber ich lasse nicht zu, daß du dich in meine Angelegenheiten einmischst! Es steht dir nicht zu, meinem Falkner oder dem Waffenschmied Anweisungen zu geben. «
Judith sah zu ihm auf. »Dann sag mir, um was ich mich als deine Frau kümmern soll… «
Einen Moment schien Gavin verblüfft. »Um Frauenarbeit! « knurrte er. »Um Nähen und Sticken. Sieh danach, daß in der Küche sauber gearbeitet wird. Und mach dir Gesichtspasten. «
Judith blitzte ihn wütend an. Ihre Augen leuchteten wie Gold.
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