Judith
»Gesichtspasten? « fauchte sie. »Hältst du mich für so häßlich, daß ich das deiner Meinung nach brauche? Vielleicht sollte ich auch was zum Wimpern schwärzen machen oder Creme für meine bleichen Wangen? «
Wieder war Gavin sekundenlang sprachlos. »Von Häßlichkeit habe ich nichts gesagt. Ich will nur nicht, daß du meinen Waffenschmied zu Näharbeiten herunterkommen läßt. «
Judiths Kinn wurde kantig. »Dann werde ich das nicht wieder tun. Dann sollen eure Rüstungen eben weiterhin steif und unbequem bleiben. Was befiehlst du mir noch? «
Gavin biß sich auf die Unterlippe. Das Gespräch nahm eine Wende, die ihm nicht recht war. »Die Mauserkäfige«, begann er.
»Sollen die Vögel also künftig an Krallenkrankheiten eingehen. Gut. Hast du noch etwas? «
Er wußte keine Antwort und kam sich ziemlich einfältig vor.
»Ich kümmere mich künftig also um Gesichtscreme, um meine Häßlichkeit zu verdecken«, sagte Judith und machte einen ergebenen Knicks vor ihm.
Gavin packte sie bei den Schultern und zog sie hoch. Er zwang sie, ihn anzusehen. »-Verdammt, Judith, du bist nicht häßlich. Du bist die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe. « Er starrte auf ihre Lippen, die ihm so nah waren.
Ihr Blick verlor alle Härte, und ihre Stimme klang weicher. »Dann muß ich meinen schwachen Verstand anstrengen, um mir andere Beschäftigungen einfallen zu lassen. «
»Ja«, sagte Gavin gepreßt, denn ihre Nähe brachte ihn fast um den Verstand.
Judith lächelte süß. »Aber vorher würde ich mit dem Waffenschmied gern noch über eine neue Pfeilspitze reden… «
Gavin blinzelte. Es sah aus, als wollte er seinen Ohren nicht trauen. Dann gab er Judith so plötzlich frei, daß sie gegen den Mehlbottich taumelte.
»Das verbiete ich dir! « schrie er wild.
»Ja, mein Gebieter! « Ein Lächeln umspielte Judiths Lippen, als Gavin aus dem Raum stürmte.
Raine saß im Schatten der Burgmauer, das verletzte Bein ausgestreckt. Er trank Judiths neues Zimtgetränk und aß dazu kleine, noch ofenwarme Brötchen.
Ab und zu versuchte er, ein Lachen zu unterdrücken, während er seinen Bruder beobachtete. Gavins Bewegungen drückten den Zorn aus, der in ihm kochte. Er ritt sein Pferd, als sei er vom Teufel besessen und attackierte wild die ausgestopfte Stechpuppe, die seinen Gegner darstellte.
Wie ein Lauffeuer hatte sich die Szene in der Küche in der ganzen Burg herumgesprochen. Und morgen würde die Geschichte sicherlich schon am Königshof in London zum besten gegeben.
Trotz seiner Schadenfreude tat Raine sein Bruder leid. Er hatte sich vor einer Frau lächerlich gemacht.
»Gönn deinem Pferd eine Pause, und setz dich ein bißchen zu mir! « rief er Gavin zu.
Doch Gavin hörte erst auf diesen Rat, als sein Pferd schaumbedeckt war. Er warf seinem Knappen die Zügel zu und ging mit müden Schritten zu Raine hinüber.
»Hier, trink! « bot Raine an.
Gavin machte Anstalten, den Krug zu nehmen, hielt dann aber inne. »Ihr neues Getränk? «
Raine schüttelte bei dem barschen Ton mißbilligend den Kopf. »Ja. Judith hat es selbst zubereitet. «
Gavin winkte seinem Knappen. »Hol mir Bier aus dem Keller! « befahl er.
Raine wollte gerade etwas sagen, als er sah, wie Gavins Blick starr wurde. Judith kam vom Haus her und ging über den mit Sand bedeckten Übungsplatz zu den Schlachtrössern, die am anderen Ende standen.
Gavins Augen schienen zu glühen, während er sie beobachtete. Als sie bei den Pferden stehenblieb, wollte er sich erheben.
Raine packte seinen Arm und hielt ihn zurück. »Laß sie. Sie fängt nur wieder einen Streit an, den du verlieren wirst. «
Der Knappe brachte das Bier. Als er sich wieder entfernt hatte, wandte sich Raine an seinen Bruder: »Tust du auch etwas anderes, als die Frau nur anzuschreien? «
Gavin wollte heftig auffahren. Doch statt dessen nahm er ein paar tiefe Schlucke von dem Bier.
»Sieh sie dir an und sag mir, was an ihr falsch ist. Sie ist so schön, daß sie der Sonne Konkurrenz machen könnte. Sie ist den ganzen Tag fleißig und hält das Haus hervorragend in Ordnung.
Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind hier auf der Burg — sogar der störrische Simon — alle fressen ihr aus der Hand. Und die alten Schlachtrösser nehmen Äpfel von ihr an. Sie hat Humor und ist die beste Schachspielerin in ganz England. Was willst du eigentlich noch mehr? «
Gavin hatte den Blick nicht von Judith gelassen. »Ich habe bei ihr noch nichts von Humor gemerkt«, meinte er finster.
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