Judith
oder? «
»Was geht dich das an? Seit wann achtest du darauf, wo ich schlafe? «
»Seit ich Judith kenne. Was meinst du, warum ich gehe, obwohl der Bruch noch längst nicht geheilt ist? « Raine verzog das Gesicht.
»Sie ist schön, nicht wahr? In ein paar Tagen wird sie mir aus der Hand fressen. Dann sage ich dir, wo ich schlafe. Eine Frau ist wie ein Falke. Man muß sie hungern lassen, bis sie es nicht mehr aushält. Dann ist sie zahm. «
Raine blieb mit einem Ruck stehen. Seine Hand lag schwer auf Gavins Schulter.
»Du bist ein unverbesserlicher Narr, der größte, den ich kenne. Ist dir nicht klar, daß der Herr oft der Diener des Falken ist? Wie oft habe ich schon gesehen, daß Männer ihren Falken auf der Hand herumtragen. «
»Du redest Unsinn! « knurrte Gavin. »Ich lasse mich von dir nicht einen Narren nennen. «
Raine biß die Zähne zusammen, als Gavin sein bandagiertes Bein unsanft zu Boden stellte. »Judith ist tausendmal mehr wert als diese Eishexe, die du zu lieben glaubst. «
Gavin warf ihm einen vernichtenden Blick zu und ging so schnell weiter, daß Raine kaum das Geländer fassen konnte. »Kein Wort mehr über Lilian! « hörte er seinen Bruder zischen.
»Das wirst du mir nicht verbieten. Einer muß dich doch wachrütteln. Sie zerstört dein Leben und Judiths Glück. «
Wütend hob Gavin die Faust, ließ sie aber wieder sinken. »Es ist gut, daß du heute gehst. Ich habe keine Lust, mir länger dein Gewäsch anzuhören, was meine Frauen angeht… « Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ Raine stehen.
»Deine Frauen! « schrie Raine ihm nach. »Die eine besitzt deine Seele, und die andere widersetzt sich dir. Wie kannst du da von >deinen Frauen< reden! «
11. Kapitel
Etwa zehn Pferde standen auf der eingezäunten Wiese. Und ein Tier war schöner als das andere.
»Davon soll ich eines wählen? « fragte Judith. An den Zaun gelehnt, betrachtete sie die Tiere. Als sich ihr Blick Gavin zuwandte, lag in ihren Augen etwas wie Mißtrauen.
Er war den ganzen Morgen so nett und freundlich gewesen, zuerst im Rosengarten und nun hier. Er hatte ihr aufs Pferd geholfen und dann wieder beim Absteigen. Er hatte ihr den Arm gereicht und sie zu der Weide geführt.
Seine Freundlichkeit verwirrte sie, nachdem er sie sonst nur finster angesehen oder häßlich behandelt hatte.
»Sag mir, welches dir am besten gefällt. Sie sind alle zugeritten und an Zaumzeug und Sattel gewöhnt. «
Judith sah wieder zu den Pferden hin. »Es ist nicht leicht. Aber ich glaube, ich nehme das schwarze da drüben. «
Gavin nickte anerkennend zu ihrer Wahl. »Die Stute gehört dir<< sagte er und lächelte.
Nur Minuten später war die Stute gesattelt, und Judith saß auf. Sie genoß das Gefühl, ein eigenes Reitpferd zu haben. Zu ihrer Rechten führte der Weg zur Burg und zur Linken ging ein Pfad in den Wald, dem Jagdgrund der Montgomerys.
Ohne zu überlegen, ritt Judith auf den Wald zu. Sie hatte zu lange Tage in der Burg verbracht, und die Eichen und Buchen in ihrem frischen Grün waren zu verlockend.
Judith sah sich nicht um, ob Gavin ihr folgte. Sie galoppierte los und genoß das Gefühl der Freiheit.
Sie ritt schnell, stellte sich und das Pferd auf die Probe. Und die Stute genoß den Ritt so wie sie, das spürte sie.
»Ruhiger jetzt, meine Süße«, raunte sie der Stute zu, als sie unter dem Blätterdach des Waldes waren. Das Tier gehorchte sofort.
Der Waldboden war wie ein weicher Teppich und dämpfte das Geräusch der Hufe. Judith atmete in tiefen Zügen die würzige Luft und ließ der Stute freien Lauf.
Das Rauschen eines Wasserfalls lockte sie an. Doch sie fand keinen Wasserfall, sondern einen Bach, der sich sprudelnd zwischen den Bäumen einen Weg bahnte. Die Sonne zeichnete bizarre Schattenbilder auf den Waldboden.
Judith stieg ab und führte ihr Pferd zu dem Bach. Das Tier trank ruhig, während Judith Grasbüschel abriß und das Fell ihres Pferdes abrieb.
Sie war so in ihre Arbeit vertieft, daß sie nicht sah, wie ihre Stute lauschend die Ohren spitzte und nervös die Hufe bewegte.
»Ruhig, ganz ruhig! « sagte Judith und tätschelte ihren Hals. Doch das Pferd warf den Kopf zurück und wieherte schrill. Judith fuhr herum. Vor Schreck wollte sie nach den Zügeln greifen, doch sie faßte ins Leere.
Ein riesiger Eber näherte sich. Er war verwundet, seine kleinen Augen vom Schmerz verschleiert.
Wieder versuchte Judith die Zügel zu fassen, als der Eber ihre Spur aufgenommen hatte. Doch das Pferd
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