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Judith

Judith

Titel: Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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wie ihre Knie nachgaben. Er hob sie hoch und trug sie zu einem Baumstumpf. Dort setzte er sich nieder und hielt sie auf seinem Schoß. Er hatte nicht viel Erfahrung mit hilflosen Frauen. Doch er wußte, daß ihre Angst ungeheuer groß sein mußte.
    Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Ihre Wangen glühten wie im Fieber. Ihre Hilflosigkeit rührte ihn. Als sie sich gar nicht beruhigte, wiegte er sie wieder hin und her und begann leise zu singen. Er tat es unbewußt und merkte nicht, daß er ihr ein Liebeslied vorsang. Es handelte von einem Ritter, der von einem Kreuzzug zurückkehrte und auf den eine Frau wartete, die ihn innig liebte.
    Allmählich entspannte sich Judith. Das Zittern ließ nach. Doch Gavin ließ sie nicht los. Er küßte sie auf die Schläfen und summte die Melodie weiter.
    »Du hältst mich jetzt sicherlich für sehr albern«, flüsterte sie nach einer Weile.
    Gavin sagte nichts.
    »Ich… mir wurde schwindelig in der Höhe. Und ich hatte entsetzliche Angst. «
    Gavin lächelte nur und zog sie fester an sich. Er war froh, daß sie wieder auf ihre Umwelt reagierte.
    »Angst ist wohl milde ausgedrückt«, meinte er nach einer Weile. »Du warst richtig in Panik. « Er merkte, wie sie sich in seinen Armen versteifte. »Was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt? «
    »Es erinnert mich an meinen Vater. Und an ihn mag ich nicht denken«, sagte sie so leise, daß Gavin sie kaum verstehen konnte.
    Er drückte ihren Kopf sanft an seine Schulter und streichelte beruhigend über ihr Haar. »Rede es dir von der Seele«, bat er.
    Judith schwieg lange. Dann holte sie tief Luft. »Ich erinnere mich nicht mehr an Einzelheiten. Nur an die schreckliche Angst, die ich hatte. Die Mägde haben mir später alles erzählt. Ich war drei Jahre alt, und durch irgend etwas schreckte ich aus dem Schlaf. Ich verließ mein Zimmer und ging in die Halle hinunter, wo noch Licht war und Musik. Mein Vater saß dort mit seinen Zechkumpanen, und sie hatten alle zuviel getrunken. «
    Ihre Stimme klang so kühl, als erzählte sie von einem Fremden.
    »Als mein Vater mich sah, kam ihm eine Idee, die ihm wie ein lustiger Spaß erschien. Er ließ eine Leiter holen, nahm mich unter den Arm und steig mit mir bis ans obere Ende. Dann setzte er mich auf ein Fenstersims, hoch oben in der Wand. Wie gesagt, ich erinnere mich nicht mehr genau an alles. Mein Vater und seine Freunde schliefen nach dem vielen Wein ein, und am Morgen suchte man nach mir. Meine Kinderfrau alarmierte alle. Es dauerte lange, bis sie mich fanden. Ich hatte vor Angst keinen Ton herausbringen und mich nicht bemerkbar machen können. «
    Gavin streichelte über ihr Haar. Es war ihm kalt den Rücken hinuntergelaufen bei dem Gedanken, daß ein Vater sein kleines Kind hilflos in solcher Höhe sitzen ließ. Eine ganze Nacht.
    Er faßte nach Judiths Schultern und hielt sie ein Stück von sich ab. »Jetzt bist du in Sicherheit. «
    Sie lächelte. »Du bist so gut zu mir gewesen. Ich danke dir. «
    Gavin hatte tiefes Mitgefühl für sie. Das Leben mußte ihr übel mitgespielt haben, wenn sie sich schon für solche Dinge bedankte.
    »Du kennst diesen Wald noch nicht. Wollen wir noch eine Weile bleiben? « fragte er sanft.
    »Es wartet Arbeit«, wandte Judith ein.
    »Zum Teufel mit der Arbeit. Gönnst du dir nie ein Vergnügen? « »Ich wüßte nicht, was ich da tun sollte«, gestand sie ehrlich. »Dann werde ich es dir sagen. Wir werden Blumen pflücken und Vögel beobachten. « Er sagte das so ernst, daß Judith lachen mußte.
    Ihr Lachen klang so fröhlich, daß Gavin sie verwundert ansah. Er war von ihrer Lieblichkeit ganz hingerissen. »Komm! « Er half ihr auf die Füße. »Ganz in der Nähe ist eine Wiese voller Blumen. «
    Judith stand jedoch kaum auf ihrem rechten Fuß, als er unter ihr wegknickte. Gavin entging es nicht, daß sie die Zähne zusammenbiß.
    »Hast du dich verletzt? « Er stützte sie fürsorglich. »Du hältst ihn am besten ins kalte Wasser. Dann schwillt er nicht an. «
    Er hob sie auf die Arme. Zuerst wollte Judith sich wehren. Doch dann lehnte sie den Kopf an seine Schulter und ließ sich tragen.
    Gavin setzte sie am Bachufer ab und zog ihr vorsichtig den Schuh aus. »Nun noch den Strumpf«, meinte er und grinste. Er beobachtete mit Vergnügen, wie sie anmutig den Rock hochraffte und das Strumpfband löste.
    »Falls du Hilfe brauchst, stehe ich zur Verfügung. «
    Doch Judith rollte den seidenen Strumpf allein herunter. Dann ließ sie zu, daß Gavin ihren

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