Judith
Fuß kühlte. War das noch der Mann, den sie hassen gelernt hatte? Sie kannte ihn kaum wieder.
»Das tut gut«, murmelte sie. »Der Schmerz läßt schon nach. « Ein Windstoß wehte ihr das Haar ins Gesicht. Gavin strich es liebevoll zurück. »Wollen wir uns ein Feuer machen und den Eber braten? « fragte er.
»Eine großartige Idee! « Judith war sofort begeistert.
Sofort hob Gavin sie hoch und watete mit ihr durch den Bach. Auf der anderen Seite setzte er sie ins Gras. Unter einem überhängenden Felsen baute er eine Feuerstelle. Dann versc h wand er für eine Weile und kam mit einem Stück Fleisch zurück. Er steckte es auf einen langen Stock und bereitete es zum Braten vor. Als alles gerichtet war und er genug Holz zusammengetragen hatte, entfernte er sich noch einmal. Er trug etwas in seinen Rockschößen, als er wiederkam, und Judith sah ihn neugierig an. «
»Mach die Augen zu! « befahl Gavin. Und als sie gehorchte, überschüttete er sie mit Blumen. »Da du nicht auf die Wiese gehen kannst, müssen die Blumen zu dir kommen«, sagte er.
Judith starrte auf die duftenden Blüten und dann auf Gavin. Ihre Augen strahlten. »Danke! Was für eine schöne Überraschung. «
Gavin ließ sich neben ihr im Gras nieder. »Erfüllst du mir eine Bitte? « fragte er leise. »Ich möchte hören, wie du meinen Namen aussprichst. «
Zuerst hatte Judith ihn ängstlich angesehen. Nach seinen Worten leuchtete ihr Gesicht auf. »Gavin«, flüsterte sie, »ich danke dir für die Blumen. «
Er seufzte glücklich und legte sich ins Gras zurück. »Wie schön das klingt«, murmelte er. Judith kehrte ihm den Rücken zu. Sie war damit beschäftigt, die Blumen zu einem Strauß zu binden.
Gavin hatte das Gefühl, daß es Jahre her war, seit er einen so friedlichen, schönen Tag erlebt hatte. Judith hatte ihm so viele Arbeiten abgenommen, daß er jetzt ruhig hier liegen und den Tag genießen konnte.
Er lauschte dem Summen der Bienen und betrachtete die seidige Haarflut seines Weibes.
»Warst du wegen Simon wirklich böse auf mich? « hörte er Judith fragen.
Er hatte sogar Mühe, sich zu erinnern, wer Simon war. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
»Nein. Es hat mir nur nicht gefallen, daß dir einfiel, was mir hätte einfallen müssen. Und ich weiß auch nicht, ob dieser neue Köder wirklich so gut ist. «
Judith fuhr zu ihm herum. »Simon ist sehr zufrieden damit Ich bin sicher, daß die Falken jetzt… « Sie brach ab, als sie ihn lachen sah. »Du willst mich nur ärgern! «
»Ich? Ich bin so lieb und unschuldig. «
Judith riß eine Handvoll Gras aus und warf damit nach ihm. »Du bist ein unmöglicher Mensch«, schimpfte sie und mußte dann lachen.
Gavin griff nach ihr und hielt sie lächelnd fest. »Was bist du nur für ein Weib? « flüsterte er mit vor Leidenschaft rauher Stimme. »Einmal verfluchst du mich, und dann lockst du wie eine kleine Verführerin. Ich habe noch keine Frau kennengelemt, die so ist wie du. Du sitzt nicht brav bei einer Nadelarbeit, sondern bändigst wilde Pferde. Du reitest so gut wie ein Mann — und dann finde ich dich zitternd wie ein Kind in einem Baum. Du änderst dich von einer Minute zur anderen. «
Seine Finger streichelten ihre Schläfen. Dann beugte er sich vor und berührte ihre Lippen, die süß und warm von der Sonne waren.
Da brach plötzlich ein heftiger Regenschauer über sie herein. Gavin fluchte ärgerlich und sprang hoch. »Zum Felsen hinüber! « schrie er.
Dann erinnerte er sich an ihren verletzten Fuß. Er hob Judith auf die Arme und lief mit ihr in den Schutz des Felsens, wo das Feuer prasselte und zischte. Er war ärgerlich über die Störung, und als er dann sehen mußte, daß das Fleisch an einer Seite fast schwarz geworden war, ließ er seinen Zorn an Judith aus.
»Du bist eine schlechte Köchin! « brummte er.
Judith sah verwundert zu ihm hin. Dann legte sie kokett den Kopf schief und meinte: »Ich nähe besser als ich koche… «
Zuerst starrte er sie finster an. Dann lachte er. »Gut pariert. « Er sah in den Regen hinaus. »Ich muß mich um mein Pferd kümmern. Sag mal, wo ist deine Stute? Kümmert es dich so wenig, was aus ihr geworden ist? «
»Ich… « Judith war so überrascht über seinen plötzlichen Sinneswandel, daß sie den Kopf schüttelte. Da warf er ihr vor, sie sich zu oft von einer neuen Seite zeigte. Und was tat er?
Ehe sie noch etwas sagen konnte, hallten Rufe durch den Wald. »Lord Gavin? Lady Judith? « Die Stimmen kamen
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