Judith
in die Knie. Er sah getrocknetes Blut in ihrem Haar. Vorsichtig zog er Constance in seine Arme und strich das Haar aus ihrem Gesicht.
»Diese Schlampe war aufsässig und trotzig. « Chatworth trat hinter ihn. »Sie sagte, daß sie lieber sterben würde, als in mein Bett zu kommen«, knurrte er. »Da habe ich ihr gegeben — was sie wollte. « Er grinste und ging dann zu einem Tisch, um einen Schluck Rotwein aus dem dort stehenden Glas zu nehmen.
Jocelin wagte nicht, ihn anzusehen. Doch seine Hände ballten sich vor Zorn.
»Hier! « Chatworth warf ihm einen Lederbeutel zu. »Ich will, daß du sie mir aus den Augen schaffst. Wirf sie in den Fluß. Aber erzähl niemandem, was hier heute nacht geschehen ist. Ich werde sagen, daß sie zu ihrer Familie zurückgegangen ist. «
Er trank sein Glas bis zur Neige leer. »Dieses verdammte Luder. Sie war das Geld nicht wert, daß ich für ihre Kleidung ausgegeben habe. Sie lag wie ein Stock unter mir und rührte sich nur, wenn ich ihr eins versetzte. «
»Warum habt Ihr sie dann behalten? « fragte Jocelin ruhig, während er seinen Umhang abnahm, um das tote Mädchen darin einzuhüllen.
»Wegen dieser verdammten Augen. Die schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Sie verfolgten mich sogar bis in den Schlaf. Ich habe Constance meiner Frau auf die Spur gesetzt. Aber selbst als Spionin taugte sie nichts. Sie hat mir nie etwas erzählen wollen. « Chatworth kicherte vor sich hin. »Lilian wird dafür gesorgt haben, daß sie kein Wort sagte. So, du hast dein Geld. Nun mach endlich, daß du aus meinem Zimmer kommst. «
»Ich muß einen Priester… «, begann Jocelin.
Chatworth lachte. »Den würde nicht einmal der Erzengel Gabriel wachkriegen. Der schläft seinen Rausch aus. Sprich ein Gebet für sie, wenn du unbedingt willst, und dann weg mit ihr. «
Jocelin hob Constance auf seine Arme und ging mit ihr zur Tür.
»Hier! Du hast dein Gold vergessen! « rief Chatworth ihm nach und warf den Beutel auf den Leib der Toten.
Jocelin hatte Mühe, seinen Haß zu unterdrücken. Stumm trug er seine Last hinaus, die Treppe hinunter und in die sternenklare Nacht.
Die Frau des Stallknechtes, eine zahnlose alte Frau, hatte ihm einen Schlafplatz unter dem Dach des Stalles gegeben. Ein warmes Plätzchen zwischen Heuballen. Dort war es ruhig, und er hatte es ganz für sich. Nur wenige wußten davon.
Dorthin wollte Jocelin das Mädchen bringen, sie waschen und für die Beerdigung vorbereiten. Er wollte ihr an der Burgmauer ein richtiges Grab richten.
Er konnte nur über eine Leiter in sein kleines Reich gelangen. Und so legte er sich Constance über die Schulter und stieg vorsichtig nach oben.
Er zündete neben seinem weichen Heubett eine Kerze an, nachdem er das Mädchen niedergelegt hatte. Dann holte er Wasser und wusch ihr blutverschmiertes Gesicht.
»So jung und so schön«, murmelte Jocelin vor sich hin. Ihm traten vor Mitleid mit diesem geschundenen Mädchen die Tränen in die Augen.
»Durst… « Es war nur wie ein Hauch zu hören. Aber als Jocelin herumfuhr, sah er, wie die Frau die Augen mühsam öffnete.
»Wasser, bitte… «, flüsterte sie.
Jocelin starrte sie noch sekundenlang ungläubig an. Dann entspannte sich sein Gesicht zu einem Lächeln.
»Du lebst…? Mein Gott… « Er holte schnell etwas mit Wasser verdünnten Wein, stützte ihren Kopf und hielt ihr den Becher an die Lippen.
»Langsam«, sagte er. »Verschluck dich nicht. «
Sie hing schwer in seinem Arm. Jocelin sah, daß ihr jeder winzige Schluck Schmerzen bereitete. Daran waren sicherlich die Würgemale an ihrem Hals schuld.
Er tastete über ihre bloße Schulter. Die Haut war noch immer kalt, aber dann begriff er, wovon das kam. Sie fror! Ihr Körper war vor Kälte erstarrt. Und da er nur eine Möglichkeit kannte, eine Frau zu wärmen, legte Jocelin sich neben sie, hielt sie dicht an sich und zog die Wolldecke über ihre beiden Körper. Noch nie hatte er so mit einer Frau gelegen und sich dabei so eigenartig gefühlt.
Er wachte erst spät am Morgen auf. Das Mädchen atmete eng an seiner Brust. Sie bewegte sich und stöhnte, weil ihr ganzer Körper vor Schmerzen brannte.
Jocelin holte ein feuchtes Tuch und legte es auf ihre glühende Stirn. Das Mädchen hatte Fieber.
Jetzt, im hellen Tageslicht, wurde ihm bewußt, was er sich da aufgebürdet hatte. Was sollte er mit ihr machen? Eines war ihm klar, Chatworth durfte nie erfahren, daß Constance nicht tot war. Sie würde es nicht überleben, wenn sie
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