Judith
Chatworth und wandte sich ihr wieder zu. »Jetzt die Wahrheit! Wer hat sie versteckt? «
»Jocelin«, brachte Blanche kaum hörbar heraus.
Constances Kopf ruckte hoch. »Nein! « keuchte sie. Sie konnte es nicht ertragen, daß Jocelin für seine gute Tat verraten wurde.
Chatworth grinste. Der hübsche Sänger? Ihm hatte er das Mädchen übergeben. Er hatte es fast schon vergessen. »Wo schläft er, daß er jemanden versteckt halten kann? «
»Über den Ställen — im Heu. « Blanche dachte an Gladys’ zerschmetterten Körper, der jetzt unten im Burghof lag. »Ich habe Euch alles gesagt, Herr. Und ich habe Euch Constance gebracht. «
Es gefiel Chatworth, daß sie ihn mit ängstlich aufgerissenen Augen ansah. Und sie lächelte auch noch, als er sie ins Gesicht schlug.
»Geh! « schrie er und riß die Tür auf. Blanche bekam noch einen Tritt, der sie taumeln ließ. Wie von Furien gehetzt rannte sie die Treppe hinunter. Sie hetzte über den Hof und kümmerte sich nicht um die Wachposten, die sie anriefen.
Sie blieb erst stehen, als das Stechen in ihrer Lunge unerträglich wurde. Langsam schleppte sie sich weiter und drehte sich nicht mehr um.
Jocelin schob sich ein paar Pflaumen ins Wams. Er wußte, wie sehr Constance frisches Obst liebte. Während er pfeifend über den Hof ging, dachte er an die Veilchenaugen der Kinder, die er einmal mit Constance haben wollte. Schreck durchzuckte ihn, als er die Leiter am Aufgang zum Heuboden lehnen sah. Die letzten Schritte rannte er. Sein Herz fing an zu rasen, als er feststellte, daß Constance nicht da war. Trotzdem suchte er das kleine Versteck gründlich ab. Er war sicher, daß sie nicht aus freien Stücken den Heuboden verlassen hatte. Tränen verdunkelten seinen Blick, als er die Leiter wieder hinunterstieg. Vielleicht hatte ihm eine der Frauen nur einen Streich gespielt und Constance in ein anderes Versteck gelockt? Er klammerte sich an diese Hoffnung. Es überraschte ihn nicht, als er sich am Fuße der Leiter plötzlich Chatworth gegenübersah. Und daneben zwei Bewaffnete.
»Was habt Ihr mit ihr gemacht? « fuhr Jocelin auf und ging Chatworth an die Kehle.
Das Gesicht seines Feindes wurde schon dunkelrot, als man ihn endlich zurückreißen konnte.
»Dafür wirst du bezahlen«, knirschte Chatworth und klopfte sich den Staub von seinem Samtwams.
Jocelin ließ sich nicht einschüchtern. »Was hast du ihr angetan, du Schwein! « fauchte er.
Chatworth knirschte mit den Zähnen. Und als er dann sprach, spuckte er die Worte aus. »Morgen wird für dich zum letzten Mal die Sonne aufgehen. Und du wirst den ganzen Tag Höllenqualen leiden, das schwöre ich. Aber heute nacht habe ich das Vergnügen, dein Liebchen in meinem Bett zu haben. «
»Nein! « schrie Jocelin. »Sie hat nichts Unrechtes getan. Laß sie frei. Ich will für alles büßen. «
»O ja, das wirst du. Ich bin in der glücklichen Lage, euch beide in meiner Gewalt zu haben. Somit ist dein Angebot hinfällig. Nehmt ihn und bringt ihn fort. Zeigt ihm, was man dafür bekommt, wenn man einem Earl, seinem Herrn, nicht die nötige Hochachtung erweist. «
Constance saß in Edmund Chatworth’ Zimmer. Aller Mut hatte sie verlassen.
Sie würde Jocelin nie mehr Wiedersehen, nie mehr in seinen Armen liegen. Ihre einzige Hoffnung war, daß er hatte fliehen können, daß Blanche ihn gewarnt hatte.
Plötzlich wurde Constance vor Schreck ganz starr, als sie die beiden Bewaffneten in den Hof kommen sah. Sie erkannte Jocelin in ihrer Mitte. Ihr Herzschlag, der kurz gestockt hatte, wurde rasend, als sie sah, daß die Männer Jocelin zu der Oubliette schleiften.
Es war ein grausiges Gefängnis, eine winzige, in den Felsen geschlagene Nische, in der man weder stehen noch sitzen konnte. Man mußte gebückt darin stehen und bekam kaum Luft. Keiner überlebte das mehr als ein paar Tage.
Constance beobachtete, wie die Bewaffneten Jocelin bis auf das Hemd auszogen und dann in dieses Höllenloch steckten.
Constance stand eine Weile reglos da. Für Jocelin gab es keine Hoffnung. Wenn er bis zum Morgen nicht tot war, würde Chatworth ihn weiterquälen, bis er den letzten Atemzug tat.
Langsam drehte Constance sich um. Auf dem Tisch standen drei Weingläser für Edmunds persönlichen Gebrauch. Sie wußte, was sie jetzt zu tun hatte. Ihr Leben hatte allen Sinn verloren.
Sie nahm ein Glas und zerschlug es an der Tischkante. Mit einer spitzen Kante schnitt sie sich die Pulsadern auf. Und während sie auf das hervorquellende Blut
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