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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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er: «Meine Hemmungen waren noch groß.» Das Kind F. entkam und hielt den Mund, von Jürgens Drohungen eingeschüchtert. (Daß F. den Mund hielt, mindestens bis zur Zeit des ersten Prozesses, etwa sieben Jahre später, spricht Bände über sein Vertrauensverhältnis zu seinen eigenen Eltern.)
    Der nächste war der Junge, dessen Vater Beck zur Polizei ging. Weil Jürgen keine Aussichten mehr hatte, sich in der Siedlung «Glaube und Tat», wo die Familie Bartsch wohnte, Kinder zu suchen, begann er, in der weiteren Umgebung Umschau zu halten. An einem Sommermorgen des Jahres 1961, als er vierzehn war, traf er den sechseinhalbjährigen H.   Er schickte ihn mit fünfzehn Pfennig in die Drogerie, um eine Kerze für den Höhlenbesuch zu kaufen. «Eine Taschenlampe wäre zu grell gewesen, zu nüchtern. Eine Kerze gibt ein rundes, warmes Licht. Das Licht ist romantischer – es ist schwer, die richtigen Worte zu finden. Eheleute haben bei gewissen Handlungen so etwas.»
    Durch den heutigen Wuppertaler Rechtsanwalt Hartwig Kolbe, damals Referendar bei Heinz Möller, ließ ich Jürgen bitten, sich über den prägnanten letzten Satz etwas näher auszulassen;er behauptete, er habe dieses Wissen aus einem Illustriertenartikel. Er spielte in der Hauptverhandlung noch ein zweites Mal auf Kerzenlicht und Eheleute an. Seine Eltern sagten, er habe «fast von Anfang an» sein eigenes Zimmer gehabt, aber das bedeutete, wie ich nach genaueren beharrlichen Fragen herausbrachte, daß er die ersten fünf bis sechs Jahre im Zimmer seiner Eltern schlief. Jürgen Bartsch konnte sich nicht besinnen, die «Urszene» gesehen oder gehört zu haben, doch unter den gegebenen Umständen ist es wahrscheinlich, daß sein Bewußtes solche Erinnerungen verdrängt hatte – wenn der Verkehr des Ehepaars Bartsch zu der Zeit nicht schon aufgehört hatte.
    Nachdem Jürgen und der kleine sechseinhalbjährige H. die Höhle betreten hatten, bedrohte Jürgen das Kind, ging jedoch nicht weiter: Seine Pulse hämmerten, die Knie zitterten, er fühlte sich «flau», wie er berichtete, und H. konnte sich in Sicherheit bringen. Auch er hat dieses Erlebnis seinen Eltern anscheinend nicht anvertraut.
    Die Begegnung mit T., seinem nächsten Opfer, fand im Walde statt, aber T. erwies sich als überraschend kräftig, und Jürgen mußte von seinem Vorhaben ablassen. Als T.s Mutter von dem Zwischenfall hörte und sich beschwerte, beschwor Frau Bartsch die Dame, den Vorfall zu verschweigen – «Wir haben schon Sorgen genug mit ihm»   –, und schenkte T. zwanzig Mark von Jürgens Taschengeld.
    Sein erster Partner in einem vollendeten Geschlechtsakt, bis zum Samenerguß, war angeblich Detlef Düren, ein gleichaltriger Angestellter in der Fleischerei Bartsch. In diesem Fall mußte sich Jürgen die Zustimmung seines Partners erkaufen. Detlef erlaubte Jürgen, ihn bis zur Klimax zu masturbieren, drohte jedoch danach, es Jürgens Vater zu melden, so daß Jürgen ihm Geld gab. Das war der Anfang einer regelmäßigen, zweimal in der Woche erfolgenden Bezahlung. Es gehörten dazu auch Teilstrangulierungen durch Jürgen, und als der Richter Jürgen fragte, ob ihn das Würgen besonders gereizt habe, antwortete er: «Es war mir nicht unangenehm.» Jürgen vertraute nach einer gewissen Zeit Detlefan, daß er gern Ähnliches mit einem Jungen zwischen acht und dreizehn tun würde, er sei jedoch zu schüchtern, selber einen anzusprechen. Er bot Detlef dreihundert Mark, wenn er ihm dabei helfen würde. Detlef begleitete Jürgen sechs- oder siebenmal auf solchen Streifzügen, doch ihre vereinten Bemühungen blieben ohne Erfolg.
    Als seine Probleme immer bedrängender wurden, unternahm Jürgen heroische, aber völlig falsche Anstrengungen, seinen Geschlechtstrieb auf das heterosexuelle Gebiet zu lenken. Er zwang sich, Prostituierte in Essen aufzusuchen, was von seinem Standpunkt aus die gleiche Selbstüberwindung erforderte, die ein heterosexueller Mensch für einen unerwünschten gleichgeschlechtlichen Akt aufbringen müßte. Er bestellte bei einem Freund, der zeichnen konnte, Zeichnungen von nackten Mädchen, wobei er betonte, daß ihre weiblichen Reize besonders deutlich sein müßten und er alles sehen wollte; die Bilder hatten keine Wirkung auf ihn. Er beschloß, sich auf ein Nachbarmädchen zu konzentrieren, das ihm etwas besser gefiel als andere, in der Hoffnung, mit dem Mädchen ins Bett zu gehen und damit seine Probleme zu lösen, aber daraus wurde auch nichts. Wie früher hatte

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