Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
Ansonsten war alles in Ordnung, solange sie irgendwie beschäftigt war.
Glücklicherweise hatten sie heute keinen Einsatz auf See. Keine Küstenwache. Kein Joel. Keine Erinnerungen an den Tag, an dem sie die Todesspringerin gerettet hatten. Oder an das, was danach geschehen war.
Doch am Ende ihrer Schicht fühlte Lisa sich immer noch leicht unwohl. Vielleicht prämenstruelle Beschwerden? Sie nahm sich vor, auf dem Heimweg Schokolade zu kaufen. Das half immer. Auf dem Weg zu ihrem Wagen rechnete sie fieberhaft nach und ließ vor Schreck den Autoschlüssel fallen. Ihre Periode war drei Tage überfällig!
Keine Panik, sagte sie sich. Sie hatte in den letzten Wochen einigen Stress gehabt. Und Stress brachte oft den Monatszyklus durcheinander.
Andererseits hatte sie früher auch schon Stressphasen gehabt, ohne dass sich ihre Periode verspätet hatte. Eigentlich konnte sie fast die Uhr danach stellen. Alle achtundzwanzig Tage.
Lisa war überfällig, und sie war furchtbar müde. Sie hatte nicht einmal Lust auf ihre Lieblingsgerichte. Jetzt, da sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie auch schon seit einer Woche keinen Kaffee mehr getrunken hatte. Ihre Brüste spannten, und ihr Geruchssinn schien schärfer geworden zu sein. Außerdem, war sie diese Woche nicht häufiger auf der Toilette gewesen als sonst?
„Unsinn. Das ist eine totale Überreaktion“, sagte sie laut vor sich hin. Lisa hob ihren Schlüssel auf und stieg in ihr Auto. „Dafür gibt es bestimmt irgendeine ganz einfache Erklärung.“
Allerdings fiel ihr nur eine einzige ein. Sie und Joel hatten nicht verhütet. Sie hatten nicht einmal daran gedacht, weil sie sich so von ihren Gefühlen hatten hinreißen lassen. Und auch danach hatte Lisa sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht.
Sie hatten ungeschützten Sex gehabt.
Und Lisa hatte auf Allys Stuhl gesessen. Der Stuhl, von dem die Frauen schwanger wurden.
Energisch rief sie sich zur Vernunft. Diese Stuhl-Geschichte war nur ein Aberglaube. Ein paar Zufälle, weiter nichts. Okay, Joel und sie hatten nicht verhütet. Aber das Zeitfenster für eine Empfängnis war ziemlich klein. Als Ärztin wusste Lisa, dass die Chancen eins zu vier standen. Wie viele Paare bemühten sich monatelang erfolglos, ein Baby zu bekommen?
Trotzdem ließ der Gedanke sie nicht mehr los. Also fuhr Lisa zu einem großen Supermarkt außerhalb des Ortes, um sich dort einen Schwangerschaftstest zu besorgen. Auf gar keinen Fall wollte sie einen im Dorf kaufen, denn das würde sofort irgendwelche Gerüchte in Gang setzen. Mit diesem Test würde sich zeigen, dass sie nicht schwanger war. Deshalb kaufte sie extra einen teuren Digital-Test.
Zwei Minuten, nachdem sie zu Hause war, starrte Lisa bereits auf den kleinen weißen Stab.
Der sollte sie ja eigentlich beruhigen. Das Symbol blinkte. Jetzt musste sie nur noch warten, dass zwei kleine Worte auftauchten: nicht schwanger.
Wie konnte die Zeit nur so quälend langsam vergehen?
Die Sekunden tickten.
Lisa schaute auf die Uhr. Erst zehn Sekunden? Das war doch unmöglich.
Wieder starrte sie auf den Teststab. Komm schon, dachte sie nervös.
Endlich erschien das Ergebnis.
Nein. Das war falsch. Es musste falsch sein. Irgendetwas musste bei dem Test schiefgegangen sein.
Fassungslos blickte sie auf den Stab.
Schwanger.
Die Ellbogen auf dem Küchentisch, stützte Lisa den Kopf in die Hände. Was um Himmels willen sollte sie jetzt tun?
Sie war schwanger. Von Joel.
Dabei sprachen sie kaum mehr miteinander. Er wollte keine Beziehung mit ihr. Das bedeutete, sie war auf sich selbst gestellt.
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Sie war achtundzwanzig, und ihre Karriere begann gerade erst. All die Zukunftspläne, die sie gemacht hatte. Jetzt war sie schwanger und musste alleine damit fertig werden.
Mühsam stand sie schließlich auf. Sie musste dringend ans Meer, um nachzudenken.
Lisa ging hinunter zum Hafen, zog die Schuhe aus, krempelte ihre Jeans hoch und lief durch die flachen Uferwellen. Die weiße Gischt überspülte ihre Füße.
Immer mit der Ruhe, dachte sie. Keine Panik.
Sie würde ein Kind bekommen.
Dadurch änderte sich alles. Bisher hatte sie Beziehungen immer vermieden, um nicht zu riskieren, dass sie denjenigen, den sie liebte, womöglich verlieren könnte. Bei einem Baby blieb ihr keine Wahl. Diese Beziehung war einfach da.
Eine Abtreibung kam für sie nicht infrage. Schon bei dem Wort zuckte Lisa zusammen. Es war noch keine Stunde her, seit sie wusste, dass
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