Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
den Augen lassen.“
Julie zögerte noch, doch Rafael half Annie bereits aus dem Bett.
„Ich brauche keinen Rollstuhl!“, protestierte sie. Da knickten ihr die Knie ein, und sie musste sich auf Rafael stützen, um nicht zu fallen.
„Entweder mit Rollstuhl oder gar nicht“, bestimmte Julie. „Warte, ich hole schnell einen.“
Im Grunde hatte Annie nicht die Kraft zu streiten. Außerdem wollte sie so schnell wie möglich zu ihrer Kleinen.
Als sie jedoch endlich vor ihr stand, war der Anblick kaum zu ertragen. Ihr Baby verschwand fast unter all den Kabeln und Leitungen, und sein Gesicht war mit einer Sauerstoffmaske bedeckt. Ein kalter Hauch kroch in ihr herauf. Sie wollte ihr Kind so gern halten und ihm von ihrer Kraft und Stärke etwas abgeben.
„Es sieht schlimmer aus, als es ist.“ Rafael legte ihr die Hände auf die Schultern. „Die Maschinen sind nur zu ihrem Schutz da.“
Annie nickte. Das wusste sie ja. Wie oft hatte sie junge Mütter beruhigt, die angesichts der blinkenden, surrenden und brummenden Geräte, von denen ihr Kind umgeben war, furchtbar erschraken.
Aber es war etwas völlig anderes, wenn ihr eigenes Baby dort lag … so zart und hilflos.
Sie schob die Hand in die Öffnung des Inkubators und berührte die winzige Hand ihrer Tochter. Ihr Herz machte einen Satz, als die kleinen Finger sich um ihren Zeigefinger schlossen.
„Hallo, Schatz“, flüsterte sie. „Hier ist deine Mummy. Gib nicht auf, meine Süße.“ Sie wandte sich an Rafael. „Ich möchte wissen, was der Kinderarzt gesagt hat. Alles“, betonte sie. „Du darfst mir nichts verheimlichen, auch nicht, um mich zu schonen.“
„Wie du siehst, wird sie beatmet. Ihre Lungen sind noch nicht voll entwickelt. Sie bekommt ein Surfactant, damit die Lungenbläschen sich entfalten und das Bronchialsystem in Gang kommt.“
„Was ist noch …“ Sie konnte die Worte einfach nicht aussprechen, doch Rafael schien zu ahnen, was sie beschäftigte.
„Wir wissen nicht, ob es andere Komplikationen gegeben hat. Das wird sich herausstellen, Annie. Zuerst muss sie die nächsten Tage überstehen.“ Er drückte ihre Schulter. „Komm, ich bringe dich zurück. Ich bleibe dann bei ihr, während du schläfst.“
„Ich will sie nicht allein lassen“, flüsterte Annie.
„Du musst wieder zu Kräften kommen. Sie brauchte eine starke, gesunde Mutter.“
„Wie kann ich ruhig schlafen, während sie um ihr Leben kämpft?“ Doch sie hatte kaum zu Ende gesprochen, da verspürte sie plötzlich eine Müdigkeit, die sie ganz schwach machte.
„Du kannst hier nicht bleiben, Annie. Nachher darfst du nach ihr sehen, aber jetzt musst du dich ausruhen. Du hast eine Menge Blut verloren.“ Er blickte auf seine Armbanduhr. „Es ist gleich Morgen.“
Widerstrebend ließ sie sich wieder zu ihrem Zimmer schieben. „Du weckst mich doch, wenn irgendetwas passiert? Egal, was?“
„Selbstverständlich.“
„Und du lässt sie auch nicht allein?“ Annie umklammerte seine Hand, als er schon gehen wollte.
„Ich bleibe bei ihr“, versprach er. „Ich passe für dich auf sie auf.“
Beruhigt schloss sie die Augen und schlief sofort ein.
Es war heller Morgen, als Annie erwachte. Erinnerungen an die vergangene Nacht stürmten auf sie eine wie eine Flutwelle, und sofort war die Angst wieder da.
Mein Baby. Sie musste zu ihrem Baby. Wo war Rafael? Warum war er nicht hier, um ihr zu sagen, wie es ihrer Tochter ging?
Wenn er noch auf der Intensivstation war, bedeutete das, dass etwas passiert war?
Sie wagte es nicht, nach einer Schwester zu klingeln und zu fragen, was mit ihrem Kind war. Die hätte sie mit Sicherheit davon abgehalten, zu ihm zu gehen. Also schob sie die Bettdecke zurück, stand auf und schlüpfte in den Morgenmantel, den Kate ihr eingepackt hatte.
Langsam, auf wackligen Beinen, machte sie sich auf den Weg nach oben.
Sie fand Rafael auf einem Stuhl neben dem Inkubator. Er hatte sich vorgebeugt, den Blick fest auf das Baby gerichtet, und sprach leise mit ihm. Annie lauschte. Es war Spanisch, und obwohl sie nichts verstand, hörte sie seiner rauen Stimme an, wie bewegt er war.
Er schien ihre Anwesenheit zu spüren, denn auf einmal drehte er sich um. Annie schnappte nach Luft, als sie sein Gesicht sah. Er musste hundemüde sein, unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, und in seine Wangen und um seinen Mund hatten sich tiefe Linien eingegraben.
Anscheinend hatte er seine Tochter nicht eine Minute allein gelassen, auch nicht, um sich
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