Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
Gedanken drehten sich nicht mehr in jeder Sekunde um ihre kleine Tochter. Sie dachte darüber nach, was Rafael gesagt hatte. In der Zeit nach der Operation hatten sie wenig miteinander gesprochen, da er den ganzen Tag arbeitete und immer erst abends zu ihnen auf die Station kam.
Annie fragte sich, ob er seine Worte schon bereute. Vielleicht hatte er nach all der Aufregung festgestellt, dass er sie doch nicht liebte …
Sie betrachtete Angela, die an ihrer Brust lag und trank. Annie war überglücklich gewesen, dass sie trotz allem stillen konnte. Als sie aufblickte, kam Rafael auf sie zu. Er blieb neben ihrem Stuhl stehen und sah mit ehrfürchtigem Staunen und so viel Liebe auf das Kind in ihrem Arm, dass ihr Herz zu rasen anfing. Sie liebte ihn so sehr! Und sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Es würde schrecklich sein, ihn nie wiederzusehen oder vielleicht eines Tages zu erfahren, dass er wieder geheiratet hatte.
Aber sie liebte ihn und wünschte ihm, dass er glücklich war – auch wenn er dieses Glück nicht mit ihr teilen wollte.
„Du bist wunderschön“, sagte er da. „Wie kann ich dir jemals dafür danken, dass du mir dieses kostbare Geschenk gemacht hast?“ Er strich ihr mit dem Finger liebevoll über das Kinn, ehe er sanft den Kopf ihres Kindes küsste.
Annie wurde die Kehle eng. Sie wollte diesen innigen Moment bewahren, sich Rafaels Gesicht und seine Stimme einprägen für die Zeit, in der sie nur noch ihre Erinnerungen an ihn haben würde.
Sie stand auf und legte Angela wieder in den Inkubator. Auf Anweisung der Ärzte durfte sie sie immer nur für kurze Zeit im Arm halten, aber Annie nutzte jede Gelegenheit.
Rafael streckte eine Hand aus, damit Annie sich wieder setzte, und kniete sich neben ihren Stuhl. Es war ihr ein bisschen unangenehm, zumal die Schwestern die Köpfe wandten, um zu sehen, was dort vor sich ging.
„Ich muss dich etwas fragen.“ Seine Stimme klang rau. „Eigentlich wollte ich damit warten, bis wir unsere Tochter nach Hause holen können. Aber ich kann nachts nicht mehr schlafen, weil ich nicht weiß, was du mir antworten wirst.“
Annie betrachtete ihn. Er wirkte erschöpft, und unter seinen Augen lagen dunkle Schatten. An Augen und Mund hatten sich feine Fältchen eingegraben, deutliche Zeichen, dass lange Arbeitstage und die Stunden hier auf der Intensivstation ihren Preis forderten.
„Ich muss es jetzt wissen“, sagte er angespannt. „Glaubst du, dass du mich eines Tages lieben kannst?“
Überrascht sah sie ihn an. Wusste er es denn nicht? Hatte er nicht gespürt, was sie für ihn empfand?
Doch ehe sie antworten konnte, fuhr er auch schon fort: „Als ich dich zum ersten Mal sah, wusste ich, dass du anders bist. Aber ich redete mir ein, dass es unmöglich ist, sich in nur wenigen Minuten in eine Frau zu verlieben. Nachdem du nach England zurückgeflogen warst, habe ich oft überlegt, dich anzurufen. Ich habe es nicht getan, weil ich dich lieber so in Erinnerung behalten wollte, wie du warst. Ich hatte Angst, wieder enttäuscht zu werden. Außerdem stand das Gerichtsurteil wegen Antonio noch aus, und ich wusste nicht, wie meine Zukunft aussehen würde. Deshalb habe ich nicht auf mein Herz gehört und ließ dich gehen.“
Annie öffnete den Mund, aber er legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen. „Bitte, ich muss dir erst alles sagen.“
Sie schwieg, doch in ihr regte sich zarte Hoffnung wie Frühlingsblüten, die sich der wärmenden Sonne entgegenrecken.
„Dann riefst du mich an, um mir zu sagen, dass du schwanger bist, und im ersten Moment dankte ich dem Schicksal für dieses Geschenk. Aber meine Erfahrungen hatten mich misstrauisch gemacht. Ich musste mich davon überzeugen, dass es mein Kind war, und wenn dem so sein sollte, wollte ich alles daransetzen, es nicht zu verlieren. So etwas wie mit Antonio sollte mir nicht wieder passieren. Als ich dich wiedersah und besser kennenlernte, wurde mir klar, dass ich dir Unrecht getan hatte. Du warst wirklich die Frau, in die ich mich auf den ersten Blick verliebt hatte … nicht nur bezaubernd und wunderschön, sondern auch liebevoll und aufrichtig.“
Erst jetzt schien er zu merken, dass die Schwestern und auch die meisten Patienten jedes einzelne Wort gespannt mithörten. Rafael schien plötzlich ungewohnt verlegen, und Annie konnte nicht anders, ein strahlendes Lächeln breitete sich langsam auf ihrem Gesicht aus.
„Ich liebe dich“, fuhr er beschwörend fort. „Mehr, als ich in Worte
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