Julia Ärzte zum Verlieben Band 45

in dem er von Ben erfahren hatte.
    Und er würde sicher auch nicht der Letzte sein.
    Doch das kümmerte sie nicht. Oder etwa doch?
    Endlich war es Zeit, Ben ins Bett zu bringen. Obwohl ihm vor Müdigkeit fast die Augen zufielen, redete er ununterbrochen von Dr. Seth.
    „Mom, meinst du, Dr. Seth hat Lust, vorbeizukommen und mit mir und Joey Football zu spielen?“
    Vorsichtig strich sie ihm übers Haar. „Hast du deinen gebrochenen Arm vergessen? In der nächsten Zeit wird es schwierig, Football zu spielen. Wenn der Gips in einigen Wochen ab ist, werde ich mit euch spielen.“
    „Aber du bist ein Mädchen!“, protestierte Ben.
    Was sollte sie dazu sagen? Er hatte ja recht. Sie wusste nicht das Geringste über Football und hatte keine Ahnung, wie man es spielte.
    „Was ist mit Joeys Vater? Kann er nicht mit euch Jungs Football spielen?“
    „Joeys Dad hat nie Zeit. Er ist fast immer auf Geschäftsreise. Deshalb dachte ich, Dr. Seth kann mit uns spielen.“
    Kylie konnte seinen hoffnungsvollen Blick kaum ertragen. „Ich weiß es nicht, Ben“, erklärte sie zögernd. „Er hat im Krankenhaus immer sehr viel zu tun.“
    „Wir können ihn ja fragen“, erklärte Ben und lächelte. „Gute Nacht, Mom.“
    „Gute Nacht. Schlaf gut, mein Liebling.“
    Als sie sich zwei Stunden später noch immer schlaflos in ihrem Bett hin- und herwälzte, beneidete sie Ben um seine Fähigkeit, immer und überall einschlafen zu können. Selbst eine Tasse ihres Lieblingstees half nicht. Immer wieder kreisten ihre Gedanken darum, wie sehr Ben anscheinend einen Vater in seinem Leben vermisste. Warum sonst hatte er sich sofort so auf Seth fixiert?
    Ben war noch zu jung, um zu wissen, wie sehr man verletzt werden konnte, wenn man dem falschen Menschen sein Vertrauen schenkte. Tristan hatte sie in dem Augenblick verlassen, als sie ihn am meisten gebraucht hätte. Auch wenn Seth ein netter Kerl war, hieß das nicht, dass er als Partner eine gute Wahl sein würde.
    Sie musste ihn auf Distanz halten.
    Ben und sich selbst zuliebe.

4. KAPITEL
    Seth hatte sich bereit erklärt, eine Extra-Schicht für seinen Kollegen Simon Carter zu übernehmen, der plötzlich krank geworden war. Es machte ihm nichts aus, an einem Samstag zu arbeiten, denn in der Notaufnahme wurde Teamgeist großgeschrieben. Während der letzten Nacht war nicht viel los gewesen, sodass er viel zu viel Zeit gehabt hatte, über Kylie nachzudenken. Immer wieder war ihr Bild vor seinem geistigen Auge aufgetaucht, und er ertappte sich ständig dabei, an sie und Ben zu denken. Wie mochte es dem Kleinen gehen?
    Immer wieder sagte sich Seth, dass es nicht seine Angelegenheit war, wie es fremder Leute Kindern ging. Aber es half nichts – er konnte nicht aufhören, an sie zu denken.
    Kylie Germaine brachte ihn völlig durcheinander.
    Am Sonntagmorgen schlief er lange und suchte danach in seiner Wohnung nach einer Beschäftigung, die ihn von Kylie ablenkte. Schließlich erinnerte er sich an eine kleine Kiste mit Fotos, die er und seine Geschwister nach dem Tod der Mutter gefunden hatten. Schon lange hatte er vorgehabt, die Bilder zu sortieren und zwischen sich und seinen Geschwistern aufzuteilen.
    Also setzte er sich gemütlich in sein Wohnzimmer und sah die Fotos durch. Wehmütig betrachtete er seine lächelnden, offensichtlich glücklichen Eltern und andere Familienmitglieder bei verschiedenen Geburtstags- und Familienfeiern. Seth wusste nun wieder, weshalb er feste Beziehungen vermied.
    Sie hatten ihren Vater viel zu früh verloren. Selbst nach all den Jahren vermisste er ihn noch schmerzlich. Genau wie er seine Mutter vermisste. Wehmütig erinnerte er sich an seine glückliche Kindheit, an Gelächter und Geborgenheit und an wundervolle Campingausflüge.
    Diese glücklichen Zeiten waren für immer vorbei.
    Als er die Fotos auf drei verschiedene Stapel sortiert hatte – für jedes der Geschwister einen – bemerkte er auf dem Boden der Kiste ein dickes Stück Pappe, das offensichtlich hineingelegt worden war, um etwas zu verbergen.
    Vorsichtig löste er es mit seinem Taschenmesser heraus. Darunter kamen mehrere blassblaue Brief zum Vorschein, eine Heiratsurkunde und eine abgegriffene Schwarz-Weiß-Fotografie.
    Auf dem Foto war seine Mutter zu erkennen, die ein knielanges, weißes Hochzeitskleid trug. Neben ihr stand ein Mann in einer Militäruniform. Angestrengt versuchte Seth, Ähnlichkeiten mit seinem Vater zu erkennen. Doch das dunkle Haar – sein Dad war rothaarig gewesen – und