Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
wesentlich zu ihrer Persönlichkeit gehörte.
Daher musste sie nun mit einer Art Tod fertig werden. Nämlich mit dem Verlust der Möglichkeit, sich jemals wirklich ganz zu fühlen.
In gewisser Weise war dies sogar noch schwerer, als Matt zu verlieren, weil keine Endgültigkeit darin lag. Es hätte alles ganz anders sein können. Wenn Jet nicht solche Angst davor hätte, die Liebe in sein Leben hineinzulassen. Wenn er nicht so adrenalinsüchtig wäre, dass er die Gefahr brauchte, um sich lebendig zu fühlen. Seinem Leben Bedeutung zu verleihen. Becca kannte dieses Gefühl, weil sie es vor vielen Jahren genauso gemacht hatte.
Der erste Hubschrauberflug damals als Sanitäterin hatte sie ins Leben zurückgeholt. Erst dadurch war sie imstande gewesen, sich aus diesem furchtbaren Sumpf herauszuziehen. Der Nervenkitzel der Gefahr. Oder war es nicht doch vielmehr das Gefühl, wieder in Sicherheit zu sein? Zu wissen, dass man lebte, einfach deshalb, weil man auch hätte tot sein können?
Aber noch etwas anderes machte Becca zu schaffen. Wenn sie doch nur nicht so überreagiert hätte bei der Vorstellung, dass ein kleines Baby nach ihrem Bruder benannt worden war. Ihre erste Reaktion war einfach total falsch gewesen.
Einem Neugeborenen Matts Namen zu geben, war ein wunderbarer Tribut an ihn. Vielleicht der Einzige, den die „Bad Boys“ ihm jemals geben konnten. Sie waren zu Matts Beerdigung gekommen und hatten ganz hinten gestanden, in einer Reihe neben dem Ausgang. In ihrer Ledermontur, den Helm in der Hand. Aber sie waren nicht mit ans Grab gekommen.
Und Becca wusste auch warum.
Es war ihre Entscheidung gewesen, die Freunde ihres Bruders auszuschließen und sie von ihrer rechtmäßigen Aufgabe als Sargträger fernzuhalten. Ihr Zorn war so übermächtig gewesen. Sie hatte ihre Eltern angeschrien und ihnen gesagt, dass Matt noch am Leben gewesen wäre, wenn seine sogenannten Freunde sich besser um ihn gekümmert hätten. Und wenn sie als Sargträger gewählt würden, dass Becca sich weigern würde, an der Beerdigung ihres Bruders teilzunehmen. Ihr ganzes Leben lang würde sie nie wieder mit ihren Eltern sprechen. Damit würden sie gleich beide Kinder verlieren.
Becca war selbst noch immer schockiert darüber. Vielleicht sogar mehr als früher, weil ihr jetzt alles so klar war. Sie hatte allen Beteiligten schrecklichen Schaden zugefügt.
Vor allem sich selbst.
Sie hatte die „Bad Boys“ aus ihrem Leben verbannt und sich dadurch selbst von der intensivsten Verbindung getrennt, die sie zu ihrem Bruder hätte haben können. Ein Ort, wo die Erinnerung an ihn so stark und wichtig war, dass sie immer lebendig bleiben würde. In solchen Erinnerungen konnte man auch Freude finden. Indem man einem neuen Leben einen Namen schenkte, der etwas so Besonderes war.
Daran hätte Becca teilhaben können.
Von ganzem Herzen sehnte sie sich danach. Aber jetzt ließ es sich nicht mehr ändern.
Jet war inzwischen vermutlich an irgendeinem Kriegsschauplatz, wo er heldenhaft Menschen rettete. Und wenn sie überleben wollte, musste sie sich an dem festhalten, was sie hatte, und einfach weitermachen.
Ärgerlich schob sie die widerspenstige Locke aus der Stirn. Sie musste sich wirklich dringend die Haare schneiden lassen.
Die glänzende schwarze Sportmaschine mit der geduckten Gestalt darauf fraß Kilometer um Kilometer auf der Autobahn.
Jet fuhr am Großraum von Christchurch vorbei und machte in Kaikoura einen kurzen Stopp zum Tanken, vor dem eindrucksvollen Hintergrund der südlichen Alpen auf der einen und dem Meer auf der anderen Seite. Danach fuhr er durch bis Picton, wo er sein Bike auf das untere Deck der Inselfähre rollte.
Es war später Nachmittag an einem herrlich sonnigen Tag. Der Ausblick auf der Fahrt durch die Marlborough Sounds war atemberaubend. Zahllose grüne Inseln in einem tiefblauen Meer, ruhig und spiegelglatt, sodass die einzige Bewegung darin von einer Schule verspielter Delfine verursacht wurde, die mit der Fähre um die Wette schwammen.
Für Jet ging die Fahrt viel zu langsam. Er konnte nicht still sitzen. Es gefiel ihm nicht, wenn jemand anders bestimmte, wie schnell er unterwegs war. Außerdem erinnerte ihn das Schiff zu sehr an Becca. Wie sie an der Reling am Heck des Marineschiffs gestanden hatte.
Rastlos lief Jet auf dem Deck hin und her, und bei den begeisterten Ausrufen der Touristen, die die Delfine entdeckt hatten, verdüsterte sich seine Miene noch mehr. Das kalte Bier, das er sich an der Bar
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