Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
unerwünscht, so gern ich dich auch dabeihätte.“ Sie bückte sich und schlüpfte hinter der Alten in die Hütte, wobei ihr Herz vor Aufregung heftig pochte.
Stickige Luft schlug ihr entgegen. Kein Wunder, denn sechs oder sieben ältere Frauen drängten sich auf den wenigen Quadratmetern. Die junge Frau, die in der Mitte auf einem Lager aus Gras lag, wirkte eher wie ein verschrecktes Kaninchen als wie eine werdende Mutter.
„Oh Gott“, murmelte Sophie. Der Anblick eines winzigen Fußes, der zwischen den Beinen der Mutter hervorlugte, beschleunigte Sophies Puls. Eine Steißlage. Hoffentlich ging das gut.
„Wir schaffen das schon!“, erklärte sie – vor allem, um sich selbst Mut zu machen.
Natürlich wäre ein Kaiserschnitt hier die erste Wahl gewesen, doch Sophie wusste, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Sie war auf sich allein gestellt. Immer wieder rief sie sich den obersten Grundsatz ihrer Ausbildung ins Gedächtnis: Bei Steißgeburten niemals ziehen!
Zu ihrer Erleichterung bemerkte sie, wie der winzige Fuß sich bewegte. Zumindest war das Baby noch am Leben!
Mit einem beruhigenden Lächeln kniete sie sich neben die Gebärende und zeigte auf sich selbst. „Sophie.“
Die ältere Frau, vermutlich die Großmutter, wies auf die Schwangere. „Pearl.“
„Hallo, Pearl“, begrüßte Sophie ihre Patientin und untersuchte dann vorsichtig deren Bauch.
Pearls Baby schien relativ klein zu sein, was angesichts der zierlichen Statur der Mutter ein Vorteil war. Sophie hätte gern gewusst, wie lange Pearl schon in den Wehen lag.
Die nächste Wehe kam, und Pearl schrie vor Schmerz. Der kleine Fuß schob sich einige Zentimeter weiter heraus.
Im Augenblick konnte Sophie nicht viel für Mutter und Kind tun. Pearl musste ihr Baby allein zur Welt bringen. Da sie natürlich kein Stethoskop dabeihatte, konnte Sophie die Herztöne nicht überwachen. Ihr blieb nichts übrig, als zu warten und zu versuchen, die junge Frau zu ermutigen.
Auch Levi konnte ihr nicht beistehen, doch allein ihn in der Nähe zu wissen, beruhigte sie enorm. Bestimmt besaß er zumindest rudimentäre Erste-Hilfe-Kenntnisse. Außerdem würde seine ruhige, pragmatische Herangehensweise ihr im Notfall helfen.
Obwohl es sie fast umbrachte, dass sie nichts tun konnte, zwang Sophie sich, ruhig und gelassen zu bleiben und sich auf den staubigen Boden neben die Gebärende zu setzen. Ein feines Rinnsal Schweiß lief ihr den Rücken hinunter, und ihre Lippen fühlten sich trocken an und schmeckten salzig. Ein Glas Wasser wäre jetzt wundervoll.
Sophie betete darum, dass die zweite Phase der Entbindung schnell vorübergehen würde – etwas anderes konnte sie nicht tun. Suchend sah sie sich in der Hütte um und entdeckte einen bräunlichen Schal. Damit würde sie das Baby nach der Geburt abtrocknen. Wenn alles gut gegangen war.
Seit Tausenden von Jahren bekamen die Frauen in diesen ärmlichen Hütten und unter unvorstellbar schlechten hygienischen Bedingungen ihre Babys. Warum sollte es also gerade bei dieser Geburt nicht klappen?
Pearl stöhnte wieder heftig auf, und plötzlich erschien ein zweites kleines Füßchen. „Sie machen das großartig, Pearl!“, lobte Sophie die verängstigte Frau. Optimismus war jetzt das Wichtigste.
Die Schwerkraft würde dafür sorgen, dass auch der Rest des Babys herauskam. Hoffentlich ging es schnell, damit die Nabelschnur nicht zu lange im Geburtskanal eingeklemmt war.
Während der letzten Wehe hatte Pearl sich ein wenig aufgerichtet, sodass die Geburt nun rasch voranging. Auf die Knie folgten die Oberschenkel, und die nächste Presswehe förderte den Beweis zutage, dass es ein Junge war. Jubel brach bei den anwesenden Frauen aus.
Ein kleiner Po, gefolgt von Hüften, Rücken und der Nabelschnur war das Ergebnis der nächsten Wehe. Sophie widerstand der Versuchung, die Nabelschnur zu berühren, um den Herzschlag des Babys zu überprüfen. Sie konnte nur darauf achten, dass niemand an dem Jungen zog.
Besorgt wies die Großmutter auf den blassen Körper. „Er ist bald draußen“, meinte Sophie beruhigend. „Bald ist es geschafft.“
Leise schickte sie erneut ein Stoßgebet zum Himmel, bevor sie dem Baby zwischen die Beine griff, um den Rumpf abzustützen, während der Kopf geboren wurde.
Nun war es so weit. Mit der anderen Hand umfasste Sophie das gerade erschienene Kinn des Jungen und drückte es sanft gegen die Mutter. Dies war der schwierigste Part, denn es war wichtig, dass es jetzt
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