Julia Bestseller Band 142
aus.
„Luc.“ Mit weichen Knien stand sie auf. „Ich wollte um acht ins Hotel kommen.“
„Ich war früh fertig und wollte dich überraschen.“
Sein Tonfall alarmierte sie. Unwillkürlich fasste sie sich an den Hals. „Du kanntest meine Adresse doch gar nicht …“
Luc lächelte kühl. „Weil du ein Geheimnis daraus gemacht hast.“ Er ließ den Blick zu Jason schweifen und bemerkte dann den Jungen. Nachdem er kurz die Stirn gerunzelt hatte, wich sein abweisender Gesichtsausdruck unverhohlenem Entsetzen.
„ Meu Deus , das kann nicht sein …“, begann er heiser und wurde trotz seiner Sonnenbräune alarmierend blass.
Kimberley war plötzlich unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Sie machte eine nervöse Geste. „Ich habe dir doch gesagt …“
Vorwurfsvoll funkelte er sie an. „Aber du wusstest , dass ich dir nicht glaube …“
Hilflos erwiderte sie seinen Blick. „Wir sollten rausgehen und uns in Ruhe unterhalten …“
Eine ganze Weile schwieg er. Schließlich fand er die Sprache wieder. „ Warum erfahre ich es erst jetzt? Nach sieben Jahren! “
Kimberley hielt den Atem an. Sie war im Begriff, Rio an sich zu ziehen, weil sie fürchtete, dass Luc ihm genauso viel Angst machte wie ihr. Aber er wirkte nicht im Mindesten beunruhigt, sondern betrachtete seinen Vater fasziniert.
„Du siehst genauso aus wie ich.“
Daraufhin atmete Luc scharf ein und zuckte zurück, als hätte man ihn geschlagen. „Ja.“
Kimberley spürte, wie Lucs Anspannung wuchs. Nahm seinen Zorn, seine Unsicherheit und seine Seelenqual wahr und wurde von Schuldgefühlen übermannt. Zum ersten Mal, seit sie Luc kannte, standen ihm seine Gefühle im Gesicht geschrieben, was ihr schlechtes Gewissen nur noch verstärkte.
Kimberley hielt den Atem an, weil sie nicht wusste, wie sie die Situation retten sollte. Sie hoffte nur, er würde nichts sagen, was ihren Sohn verstören würde.
Er tat es nicht. Stattdessen hockte er sich hin. „Ich bin Luc.“
„Du siehst wütend aus“, stellte Rio fest. „Bist du sauer?“
„Nein.“ Lucs Stimme bebte merklich, und sein Lächeln wirkte ein wenig unsicher. „Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dir zu begegnen, das ist alles.“
„Ich bin Rio.“
Sekundenlang schloss Luc die Augen und atmete scharf ein. „Das ist ein ziemlich ungewöhnlicher Name.“
„Mum hat mich nach einer ganz besonderen Stadt genannt“, berichtete Rio. Dann rutschte er vom Stuhl und ging zu einer Wand, die mit seinen Bildern sowie Fotos und Karten behängt war. „Das ist sie.“ Er nahm eine Karte herunter und reichte sie Luc lächelnd. „Das ist der Berg Corcovado mit der Statue Cristo Redento …“ Seine Aussprache war perfekt. „Sieht das nicht toll aus? Irgendwann fahre ich da mal hin. Mum hat es mir versprochen. Aber es ist sehr weit, und wir müssen noch sparen, bis wir genug Geld haben.“
Eine Weile herrschte betroffenes Schweigen, während Luc starr die Karte in seiner Hand betrachtete. Schließlich hob er den Kopf und sah Kimberley vorwurfsvoll an.
Wie gelähmt stand sie da, denn sie spürte seinen wachsenden Ärger. Es war allerdings kein unbändiger Zorn, sondern kalte Wut.
Aus irgendeinem Grund hatte Kimberley plötzlich Angst. „Luc …“
„Nicht jetzt, und nicht vor dem Kind“, stieß er hervor, bevor er tief durchatmete und seine Aufmerksamkeit wieder auf Rio richtete.
Angespannt beobachtete sie ihn und staunte über seinen Stimmungsumschwung. Er wirkte nicht mehr aufgebracht, sondern fasziniert. „Das ist ein schönes Foto. Eine tolle Stadt.“ Seine Stimme klang sanft, und er strich Rio überraschend zärtlich über den Kopf. „Die Bilder dort … Hast du die gemalt?“
„Ich will Künstler werden“, vertraute der Kleine ihm an. Er legte die Hand in Lucs und zog ihn zur Wand, um ihm seine Werke zu zeigen. „Das mag ich am liebsten.“ Er deutete darauf, und Luc nickte.
„Ja, es ist sehr gut.“ Mit ernster Miene betrachtete er die Zeichnung.
Kimberleys Herz krampfte sich zusammen. Sie fühlte sich schrecklich schuldig. Sie hatte die falsche Entscheidung getroffen. Sie hatte ihm das Recht verweigert, seinen Sohn kennenzulernen. Und ihrem Sohn das Recht, seinen Vater kennenzulernen. Was aber hätte ich sonst tun sollen? fragte sie sich. Sie hatte es doch versucht. Ganz zu Anfang hatte sie seine Hilfe gebraucht. Doch er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass es vorbei sei.
„Du kannst es haben, wenn du willst“, bot Rio ihm großzügig an, und dann herrschte
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