Julia Bestseller Band 142
die durch diese Impfung einen Schaden davongetragen haben, ist winzig im Vergleich zu den Millionen, die geimpft worden und gesund geblieben sind.“
„Können Sie denn garantieren, dass mit der Impfung kein Risiko verbunden ist?“, fragte Sylvia Bates.
„Nein“, sagte Holly ehrlich. „Bei allen Impfungen ist ein gewisses Risiko dabei, aber Sie müssen dies an den Risiken messen, die diese Krankheiten mit sich bringen. Masern, Mumps und Röteln sind höchst ansteckende Krankheiten, und wenn Kinder sich infizieren, kann dies ernste Folgen haben.“
„Aber diese Krankheiten kommen ja heute kaum noch vor“, wandte Sylvia ein.
„Dank unserer Impfprogramme und deren Erfolge.“
„Das hat meine Mutter auch zu mir gesagt. Ein Cousin von ihr starb an Masern, als meine Mutter noch klein war. Aber so etwas passiert ja nur noch selten, und deswegen vergessen wir, wie gefährlich diese Krankheiten sein können.“
„So ist es“, erwiderte Holly. „Wie denkt denn Ihr Mann darüber?“
„Solche Entscheidungen überlässt er mir.“ Sylvia rollte mit den Augen. „Männer! Also ich glaube, wir sollten es tun.“
„Fühlen Sie sich nicht dazu gezwungen!“, sagte Holly. „Es ist wichtig, dass Sie mit Ihrer eigenen Entscheidung zufrieden sind! Würden Sie denn gern wieder nach Hause gehen und darüber nachdenken? Sie können ja jederzeit wiederkommen.“
„Nein!“ Sylvia schüttelte energisch den Kopf. „Bestimmt nicht. Wenn sich das Kind mit so einer Krankheit infiziert, werde ich mir ewig Vorwürfe machen.“
Debra trug die Daten der Impfung in den Impfpass des kleinen Mädchens ein, während Holly ihm zügig die Injektion gab.
„Das war es“, sagte sie. Sie gab dem Kind ein Spielzeug und Sylvia eine Patienteninformation mit auf den Weg. „Es kann sein, dass das Kind heute Nacht unruhig schläft, und es kommt auch vor, dass sich sieben bis zehn Tage nach der Impfung eine schwache Reaktion zeigt. Das heißt, das Kind könnte Fieber bekommen und nörgelig sein. Das steht aber alles in dem Informationsblatt. Und wenn Sie sich Sorgen machen, rufen Sie uns bitte an!“
Sylvia bedankte sich, setzte das Kind in den Buggy und machte sich auf den Heimweg.
„Das haben Sie sehr gut gemacht“, sagte Debra. „Sie haben sich die Ängste der Frau angehört und ihr die Fakten mitgeteilt, ohne sie in eine bestimmte Richtung zu drängen. Ich nehme an, Sie haben Übung darin.“
„Nun, die letzten Berichte in den Zeitungen über die MMR-Impfung haben die Leser tatsächlich beunruhigt, und wer kann ihnen das vorwerfen? Solche Horrorschlagzeilen stärken nicht gerade das Vertrauen der Menschen.“ Holly warf einen Blick über Debras Schulter. „Jetzt haben wir nur noch Mrs Watts auf der Liste?“
„Richtig. Ich werde sie rufen.“
Anna Watts war eine blasse, ruhige Frau von Mitte zwanzig. Sie brachte ihr Baby im Autositz an. Auf Debras Frage, wie es ihr ginge, antwortete sie: „Gut“.
Holly wunderte sich über die kurze Antwort, denn im Allgemeinen waren junge Mütter nicht so wortkarg. „Ich bin die neue Praxisschwester“, stellte sie sich vor. „Sie haben ein hübsches Baby. Junge oder Mädchen?“
„Junge.“
„Und wie heißt er?“
„Harry.“
„Schöner Name.“ Hollys Instinkt sagte ihr, dass Debra recht hatte, als sie meinte, die Frau litte unter Depressionen. Sie schien tatsächlich völlig desinteressiert zu sein, auch was das Baby anbetraf. „Ich habe keine Kinder“, sagte sie, „aber ich habe schon oft gedacht, dass es sehr schwer sein muss, sich plötzlich in der Rolle einer Mutter zu finden.“
Anna sah sie zum ersten Mal richtig an. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Das stimmt. Ich bin hoffnungslos als Mutter.“
Holly legte einen Arm um ihre dünnen Schultern und drückte sie tröstlich. „Das kann ich nicht glauben. Nur weil es hart ist, heißt das nicht, dass Sie keine gute Mutter sind. Sehen Sie sich Harry an, er ist gesund und glücklich, und das verdankt er Ihnen.“
„Holly hat recht“, meinte Debra. „Sie machen das sehr gut mit dem Baby, Anna. Aber Sie sind offenbar sehr deprimiert.“
Anna begann zu schluchzen. „Ich komme mit dem Baby einfach nicht zurecht“, gestand sie. „Nachts finde ich keinen Schlaf, ich habe ständig Kopfschmerzen und niemanden, der mir hilft … Wenn Harry pausenlos schreit, drehe ich manchmal regelrecht durch. Nicht, dass ich ihn nicht lieb hätte, doch mir wird es einfach zu viel.“
„Das kann ich mir gut vorstellen.“
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