Julia Bestseller Band 144
tröstete. Der Rest der Familie war überall verstreut. Es war sowieso Zeit, einen neuen Anfang zu machen. Hatte sie das nicht schon beschlossen, bevor Jim Neilson in ihr Leben getreten war?
„Dad wird es kaum erwarten können, auf die Farm zurückzukehren“, sagte sie laut. „Ja, wir kommen, sobald wir alles organisiert haben.“
Jim strahlte. „Ich sorge dafür, dass bis Ende nächster Woche ein Wohnwagen auf der Farm steht. Oder würdest du ihn lieber selber aussuchen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist doch sowieso nur eine vorübergehende Maßnahme. Es wird nicht lange dauern, bis das Haus zumindest wieder bewohnbar ist. Das wichtigste wird sein, als Erstes die elektrischen Anschlüsse wieder in Ordnung zu bringen. Telefon, Fax, Computer – die brauche ich für meine Arbeit.“
„Ich werde das veranlassen.“
Und wenn Jim Neilson versprach, etwas zu tun, würde es getan werden. Jamie war genauso gewesen. Keine Entschuldigungen, keine Ausflüchte. Das war einer der Gründe gewesen, warum es ihr so schwer gefallen war zu akzeptieren, dass er sie nicht, wie versprochen, in Melbourne aufgesucht hatte.
Beth wurde plötzlich von Traurigkeit übermannt, all die Jahre unnötigen Getrenntseins zerrten an ihrem Herzen. Und sie hatte von jenem Wendepunkt in ihrem Leben nicht einmal etwas geahnt, hatte keine Chance bekommen, Jamies Entscheidung zu beeinflussen. Nun stand sie wieder an einem Wendepunkt, an der Schwelle zu einem neuen Leben. Wenn es sich nicht so entwickeln würde, wie sie es sich erhoffte … Dann würde sie es wenigstens versucht haben!
„Stimmt etwas nicht, Beth?“, fragte Jim, der sie aufmerksam beobachtete.
Sie seufzte tief. „Ich denke nur gerade darüber nach, wie seltsam das Leben manchmal spielt. Ich war eigentlich mit der Absicht hergekommen, dir heute Abend für immer Adieu zu sagen.“
„Ich weiß.“
„Stattdessen werde ich jetzt in das Tal unserer Kindheit zurückkehren. Und du wirst auch da sein, wenn es deine Zeit erlaubt.“ Sie betrachtete ihn nachdenklich. „Wird es dir sehr schwer fallen, zu jenen Erinnerungen zurückzukehren?“
„Ich habe auch gute Erinnerungen an das Tal. An dich, Beth“, antwortete er liebevoll.
„Wir sind nicht mehr dieselben Menschen“, gab sie zu bedenken.
„Das stimmt. Aber ich sehe eine Chance, dass wir wiederfinden werden, was wir einmal waren.“
War es Hoffnung, die aus ihm sprach? „Es heißt, man soll niemals zurückschauen …“
„Vielleicht ist es nötig.“
Er war fest entschlossen, wie immer es auch ausgehen mochte. Beth lächelte ihn an. „Ich nehme an, wir können es nur versuchen.“
Jim nickte. „Anders werden wir es nie erfahren.“
Beth spürte, dass er innerlich genauso aufgewühlt und verunsichert war wie sie. Würde es ihnen gelingen, die zeitliche Kluft zu überwinden und sich wieder in Vertrauen, Zuversicht und Liebe die Hände zu reichen?
„Wann fliegst du nach Sydney zurück?“
„Mit der ersten Maschine morgen früh.“
„Du hast ein Hotelzimmer für die Nacht?“
Er nickte. „Im Hotel Como in South Yarra. Ich bin heute Abend von dort zu Fuß hierhergekommen und habe die Gelegenheit zu einem Spaziergang genutzt.“
Beth schaute auf die Uhr. Es war fast halb zwölf. Alles Wichtige war besprochen. Die Würfel waren gefallen. „Dann sollten wir aufbrechen, damit du noch etwas Schlaf bekommst.“
Jim widersprach nicht. Er bezahlte die Rechnung mit seiner Kreditkarte, und der Empfangschef erkundigte sich, ob er ihm ein Taxi rufen lassen solle. Jim entschied sich, zuerst Beth zu ihrem Wagen zu begleiten.
Die kühle Nachtluft draußen traf Beth wie ein kleiner Schock. Ein ganz anderer Schock aber durchzuckte sie, als Jim im nächsten Moment besitzergreifend ihre Hand nahm. Augenblicklich spürte sie, wie seine Wärme auf ihre Finger überströmte. Sie zog ihre Hand nicht zurück. Angesichts der leidenschaftlichen Zärtlichkeiten, die sie schon miteinander geteilt hatten, wäre diese Zurückweisung lächerlich gewesen.
Hand in Hand gingen sie in einvernehmlichem Schweigen das kurze Stück die Straße entlang. Fast war es wie die Erneuerung ihrer alten, freundschaftlichen Kindheitsbande. Würden sie von nun an einen neuen Weg beschreiten, oder würde es lediglich eine andere Dimension des Pfades sein, der ihnen schon vor langer Zeit vorgezeichnet gewesen war?
Sie erreichten Beths Wagen. Jim drückte stumm ihre Hand, ehe er sie losließ, damit sie den Schlüssel aus ihrer Handtasche nehmen
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