JULIA COLLECTION Band 10
Stunde das Essen fertig haben –, also blätterte er lediglich die Niederschriften durch.
Die ersten drei Interviews waren mit Arbeitskolleginnen geführt worden. Alle beschrieben Dominique als intelligent und relativ skrupellos, wenn es darum ging, ihr Lebensziel zu erreichen: reich zu heiraten. Sie habe ausschließlich mit den wohlhabenderen männlichen Gästen geflirtet und wahrscheinlich auch mit ihnen geschlafen. Bei konkreter Fragestellung zu diesem Thema erklärten allerdings alle Interviewten, dass Letzteres nur eine Mutmaßung sei. Beweise dafür hätten sie nicht. Dominique habe während der Zeit auch einige feste Freunde gehabt, die die Frauen sogar mit Namen benennen konnten.
Vier der Männer hatte der Detektiv aufgespürt und interviewt. Sie waren einfache Arbeiter und jünger als Dominique. Alle gaben zu, verrückt nach ihr gewesen zu sein, und behaupteten, mit ihr geschlafen zu haben.
Einer von ihnen sagte: „Sex fand sie klasse, sie hatte nur etwas gegen Liebe. Als ich ihr erzählt habe, ich würde sie lieben, hat sie erklärt, die Sache würde ihr zu ernst. Sie sagte, dass sie mich sehr gernhabe, aber nicht heiraten wolle. Am nächsten Tag hat sie mich verlassen.“
Während Charles das las, schüttelte er betrübt den Kopf. Dominiques unglückliche Kindheit hatte Mitleid und Verständnis in ihm geweckt. Aber wie konnte man jemandem verzeihen, der so kaltblütig mit den Gefühlen anderer umging? Es war offensichtlich, dass Dominique die jungen Männer nur benutzt hatte, um herauszufinden, worauf das andere Geschlecht im Bett stand. Erstaunlich fand er, dass keiner ihrer sogenannten Freunde Groll gegen sie hegte. Alle vier erklärten, dass sie ihr alles Gute wünschten.
Dagegen ließen ihre Kolleginnen kein gutes Haar an ihr. Alle drei hielten sie für eine Heiratsschwindlerin und Abzockerin, die im Leben nur eins im Sinn hatte – reich zu werden – und auch keinen Hehl daraus machte. Sie hofften, dass Dominique eines Tages dafür büßen müsste.
Erst als Charles das Interview mit einer ihrer Mitbewohnerinnen in Melbourne – Sandie – las, kam ihm der Gedanke, dass die Frauen womöglich eifersüchtig waren. Beim Lesen konnte er den Wahrheitsgehalt gewisser Aussagen nicht beurteilen. Manches klang einfach nur gehässig, und er beschloss, die Kassetten abzuspielen. Vielleicht diente es der Wahrheitsfindung, wenn er die Stimme der jeweils Befragten hörte. Also suchte er die Kassette mit der Aufschrift „Dominiques Mitbewohnerinnen in Melbourne“ und schob sie in die Stereoanlage hinter sich auf dem Bücherregal.
Nach dem Betätigen der Abspieltaste hörte er sofort, dass er richtiggelegen hatte. Sandie genoss es geradezu, schmutzige Wäsche zu waschen. Am besten schien ihr zu gefallen, dass sie dem Interviewer erzählen konnte, was Dominique angeblich über ihren nächsten „Heiratskandidaten“ gesagt hatte: dass er älter, weniger gut aussehend und dankbarer als Hall sein solle.
„Was ist denn passiert?“, wollte Sandie dann wissen. „Hat Dominique irgend so einen alten Knilch in Sydney verführt, und jetzt ist seine Familie auf die Barrikaden gegangen?“
Charles war froh, dass der Interviewer die Frage nicht beantwortete.
Die zweite Mitbewohnerin, eine gewisse Tricia, war noch schlimmer, und ihre Bemerkungen waren richtig bösartig. „Frauen wie Dominique haben Eiswasser in den Adern und kein Blut. Mir ist noch niemand begegnet, an dem so vieles künstlich war wie bei Dominique Cooper. Sie brauchen sich ja nur einmal ihr Haar und ihre Brüste anzusehen, dann wissen Sie Bescheid.“
Charles stöhnte auf, auch wenn keine der beiden letzten Beschuldigungen der Wahrheit entsprach. Soweit er das beurteilen konnte, hatte Dominique ihr gutes Aussehen von ihrer Mutter geerbt. Ihre Schönheit war genetisch bedingt und nicht im OP und Schönheitssalon entstanden.
Trotzdem musste er sich wohl damit abfinden, dass ein Großteil der Erzählungen der beiden Mitbewohnerinnen der Wahrheit entsprach, und seine Bestürzung wuchs.
„Dauernd hat sie irgendwelche Fortbildungen gemacht“, fuhr Tricia bissig fort. „Sie hat alles belegt, um Männer noch besser umgarnen zu können. Kurse für Verhalten und Stilsicherheit in Kleidungsfragen, Kunst- und Weinbeurteilung, sogar Kochkurse. Als ich sie gefragt habe, warum sie das mache, hat sie gelacht und erklärt, schließlich gehe Liebe durch den Magen. Wenn es mit dem Sex nicht funktioniere, könne sie sich immer noch in das Herz eines Mannes
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