JULIA COLLECTION Band 12
war, amüsierte sie sich damit, die grauen Haare zu zählen. Es waren fünfunddreißig, die meisten an den Schläfen. „Dadurch siehst du distinguiert aus“, erklärte sie ihm, nachdem sie ihm die genaue Zahl genannt hatte.
„Ich glaube, ich habe fünf weitere graue Haare bekommen, als du mit dieser Schere auf mich losgegangen bist“, meinte er.
„Beweg dich nicht, sonst schneide ich womöglich etwas ab, das ich nicht sollte“, warnte sie ihn, als er sich mit Blue duellierte, indem er einen Bleistift als Schwert benutzte. Blue liebte dieses Spiel, und Hunter spielte es oft mit ihr.
Tatsächlich hatten alle Katzen ihre anfängliche Angst vor ihm verloren, und er hatte sie so vollständig für sich erobert, wie er das mit Gaylynn getan hatte. Nach dem lauten Schnurren zu urteilen, wenn er sie streichelte, fanden Cleo und ihre Kinder, dass Hunter das Beste war, das ihnen seit Thunfisch in Dosen passiert war. Gaylynn teilte diese Einschätzung. Es gab auf der ganzen Welt niemanden, der besser streicheln konnte als Hunter. Dieser Gedanke spornte sie an, schnell mit dem Haareschneiden fertig zu werden.
„So, das war’s.“ Sie reichte Hunter einen Handspiegel.
Er warf nur einen flüchtigen Blick hinein. „Sehr nett. Und jetzt ist wohl diese Inspektion fällig.“
„Eine Inspektion?“
„Du hast es eine Untersuchung genannt. Um sicherzustellen, dass alles funktioniert.“
„Ach ja. Das.“
„Ja, das.“
„Ich glaube, du hattest noch keine Chance, richtig zu bewundern, was ich im Schlafzimmer habe.“
„Also, das ist ein Angebot, dem ich nicht widerstehen kann.“
Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn ins Nebenzimmer. „Fällt dir ein Unterschied auf?“
„Die Schachtel mit den Kondomen auf dem Nachttisch ist offen.“
„Abgesehen davon.“ Der Blick, den sie ihm zuwarf, erinnerte ihn an bestimmte Spielshows im Fernsehen, wo die Uhr lief, bis man die richtige Antwort gab.
„Okay, ich gestehe es ein. Wann immer ich in diesem Raum bin, achte ich nicht auf die Dekoration, sondern nur auf dich.“
„Ich weiß. Und dafür liebe ich dich.“ Sie ließ das wie einen Scherz klingen und wusste, dass er es nicht ernst nehmen würde, obwohl sie es durchaus so meinte. „Aber sieh dich um. Vielleicht bemerkst du doch etwas.“
Er musterte das Zimmer schnell. Das weiße Bettgestell aus Metall war dasselbe. Gaylynn hatte eine feminine Note in den Raum hereingebracht, seit sie eingezogen war … ein Spiegel hier, eine Blumenvase da, die Rüschenvorhänge am Fenster. Jetzt war die Hütte ein Zuhause, statt nur Platz zum Übernachten zu bieten. Hunter erkannte den Blumenkranz, dessentwegen sie ihn im Geschenkeladen nach seiner Meinung gefragt hatte. Was ihm neu war …
„Dieses weiße Rüschending auf dem Bett?“, riet er.
„Nein, das war schon vorher da.“
„Was ist mit dem Bild?“ Er deutete auf einen gestickten Teddybären, der eine Patchworkdecke in den Pfoten hielt.
„Schon näher dran“, erklärte Gaylynn. „Aber immer noch kein Punkt.“
„Ich geb’s auf.“
„Die Patchworkdecke mit den Sternen. Ich habe sie heute Morgen bei Ma Battle gekauft. Sie ist wunderschön, nicht?“ Gaylynn strich liebevoll über das Muster.
„Ja, sie ist schön. Lass sie uns einweihen.“ Hunter zog Gaylynn ohne weitere Umstände aufs Bett.
Zu seiner Überraschung schmolz sie nicht in seinen Armen dahin wie üblich, sondern sprang sofort wieder auf und schubste ihn ebenfalls vom Bett.
„Darauf sitzt man doch nicht!“, rief sie entsetzt. „Das ist ein Kunstwerk!“
„Dann sollte es an der Wand hängen, nicht hier liegen.“
„Findest du? Das ist eine gute Idee. Ich habe spezielle Vorrichtungen gesehen, mit denen man Patchworkdecken an die Wand hängen kann. Vielleicht hat Ma Battle welche in ihrem Laden. Wir fahren gleich mal hin.“
„Später. Im Moment ist dieses Kunstwerk im Weg, und es gibt andere Dinge, die ich lieber ansehen möchte.“ Er warf ihr einen sehr intimen Blick zu. „Hier, nimm das …“ Er reichte ihr zwei Ecken der Decke, ging zum Kopfteil des Bettes und griff nach den beiden anderen. „Wir falten sie ordentlich zusammen.“ Er küsste Gaylynn, als sie sich dabei näher kamen, löste sich aber gleich wieder von ihr. Der Glanz in seinen Augen verriet ihr, dass es ihm Spaß machte, sie aufzuziehen.
Das kann man auch zu zweit, dachte sie. Als er sich vorbeugte, um die Decke ein weiteres Mal umzuschlagen, gab sie ihm ebenfalls schnell einen Kuss.
„Du lernst rasch.“
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