JULIA COLLECTION Band 16
atmete erleichtert auf. Sie trat an das Fenster des Schlafzimmers im ersten Stock, das sie schon als Kind bewohnt hatte, und sah verstohlen hinaus, um einen Blick auf Brian zu werfen. Auf dem Weg zu seiner Wohnung blieb er stehen, um den kläffenden Hunden ein paar unflätige Bemerkungen zuzuwerfen, und sie musste lächeln.
Sie hatte schon halb befürchtet, dass er die Flucht ergriffen hätte. Es wäre leicht für ihn, für ein paar Wochen einfach auf der Militärbasis zu bleiben und so das Problem zu lösen. Aber er hatte es nicht getan, und Tina war ziemlich sicher, dass sie wusste, wieso.
Brian würde nie zugeben, dass er sich einer Situation nicht gewachsen fühlte und dass er es nicht schaffte, ihr, Tina, täglich zu begegnen. Er würde nicht einmal sich selbst eingestehen, dass es wegen ihrer Anwesenheit für ihn einen Grund zur Sorge geben könnte.
Jetzt lief er die Stufen zu seiner Wohnung hinauf, und Tinas Herz klopfte allein schon bei seinem Anblick schneller. Als er die Tür öffnete und hineinging, ohne ein einziges Mal zu ihr herüberzusehen, stieg ihr Puls ruckartig.
„Na schön“, sagte sie leise, „vielleicht bin eher ich diejenige, die hier Grund zur Sorge hat.“
Als hinter ihr ein Klingeln ertönte, wandte sie sich dankbar vom Fenster ab, warf sich auf das breite Doppelbett mit der handgenähten Steppdecke und griff nach dem Hörer des altmodischen Telefons. „Hallo?“
„Also hast du es wirklich getan.“
„Janet.“ Tina rollte sich auf den Rücken und sah lächelnd zur Decke. „Jawohl, ich bin wieder da, wo ich angefangen habe.“
„Hast du ihn schon gesehen?“
„Oh ja.“
„Und?“
Tina ließ verträumt das Telefonkabel durch ihre Finger gleiten. „Er ist noch genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte.“ Tatsächlich war er sogar noch attraktiver, noch unwiderstehlicher, noch aufreizender.
„Du bist also immer noch zu allem entschlossen.“
Tina seufzte. „Janet, das haben wir schon tausendmal durchgekaut. Ich will nun mal zu keiner Samenbank gehen. Kannst du dir das Gespräch vorstellen, wenn ich versuche, meinem Kind das zu erklären? ‚Aber natürlich, Liebling, selbstverständlich hast du einen Daddy. Er ist Nummer 3075. Ist doch eine nette Nummer, nicht wahr?‘“
Janet lachte. „Na schön. Ich sage ja nur, dass ich glaube, du handelst dir mit diesem verrückten Plan Schwierigkeiten ein. Ich mache mir eben Sorgen um dich.“
„Und das weiß ich ja auch zu schätzen.“ Tina lächelte und ließ den Blick unwillkürlich durch ihr altes Schlafzimmer schweifen. Nana hatte im Lauf der Jahre nicht viel verändert. Es hingen immer noch Poster von Tahiti und London an den Wänden, die Regale waren mit ihren Lieblingsbüchern gefüllt und all den kleinen Schätzen aus ihren Teenagertagen, und im Raum standen noch die Möbel, die seit Ewigkeiten im Besitz der Corettis waren.
Nur hier fühlte sie sich zu Hause. Hier überkam sie das wundervolle Gefühl, ihren Platz zu haben, hier fand sie Ruhe und Frieden. Tina war überrascht, als ihr plötzlich bewusst wurde, wie sehr sie diesen Frieden nötig gehabt hatte.
Sie war in diesem Haus geboren worden und war hier aufgewachsen, aber sie war so viele Jahre nicht mehr hier gewesen. Deshalb fand sie es ein wenig unheimlich, dass sie schon am ersten Tag das Gefühl hatte, nie fort gewesen zu sein.
„Aber du willst, dass ich dich zufrieden lasse“, sagte Janet nun.
Tina hörte die Belustigung in Janets Stimme. „Du hast es erfasst“, gab sie zu.
„Tony hat mich gewarnt, dass ich genau das von dir zu hören bekommen würde“, gestand Janet ihr und rief dann ihrem Mann zu: „Schon gut, schon gut. Ich schulde dir fünf Dollar, Tony.“
Tina lachte. Die Anspannung in ihr ließ allmählich nach.
„Ich bin froh, dass du angerufen hast.“
„Ja, wirklich?“
„Ja. Es hat mir gutgetan, eine freundliche Stimme zu hören“, fügte Tina hinzu. Nana war in Italien, und Brian hatte sich in seine Höhle verkrochen. Im Moment fühlte sie sich so einsam wie schon lange nicht mehr. „Es war mir gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ich es nötig hatte.“
„Ich freue mich, wenn ich helfen konnte“, sagte Janet. „Ruf mich an, wenn du mit jemandem reden willst oder dich ausheulen willst oder deine Wut rauslassen oder … was auch immer.“
„In Ordnung. Wir sehen uns in drei Wochen.“
Nachdem ihre Freundin aufgelegt hatte, setzte Tina sich auf. Sie sah sich in ihrem Zimmer um, und wieder überfielen sie Erinnerungen an
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