JULIA COLLECTION Band 16
die Vergangenheit. Sie hatte noch in diesem Zimmer gewohnt, als sie und Brian angefangen hatten, miteinander zu gehen. Es kam ihr vor, als wäre eine Ewigkeit seitdem vergangen.
Damals hatte sie noch einen Halbtagsjob im Diego’s gehabt, einer schicken Bar am Hafen. Tagsüber hatte sie studiert und für ihren Magister in Betriebswirtschaft gebüffelt. Brian war gerade zum Lieutenant befördert worden. Eines Abends war er in die Bar gekommen, und – so klischeehaft es auch klang – ihre Blicke hatten sich getroffen, und alles war klar gewesen. Von da an ging alles seinen Gang.
In einem wahren Rausch der Gefühle hatten sie den folgenden Monat jede freie Minute zusammen verbracht und erzürnten schließlich sogar ihre Familien, weil sie einfach durchbrannten. Sie waren zu verrückt aufeinander gewesen, um auf die große, schicke Hochzeitsfeier zu warten, die man von ihnen verlangt hätte.
Stattdessen hatten sie sich schlicht und unauffällig von einem Friedensrichter trauen lassen. Tina hatte eine einzige Rose in der Hand gehalten, die Brian ihr im Garten vor dem Haus des Friedensrichters gepflückt hatte. Sie hatte gewusst, dass er der Richtige für sie war, ihre verwandte Seele – der Mann, den das Schicksal für sie ausersehen hatte und den sie von ganzem Herzen liebte.
Sie waren ein Jahr zusammen gewesen, dann hatte Brian plötzlich die Bombe platzen lassen. Er hatte ihr eröffnet, dass er die Scheidung wollte und war gleich am folgenden Tag zu einem sechsmonatigen Einsatz auf einem Flugzeugträger abgereist.
„So viel zum Thema verwandte Seelen“, flüsterte Tina und löste sich von der Erinnerung an die Vergangenheit. Sie kuschelte sich auf das Bett, legte sich einen Arm über die Augen und versuchte sich einzureden, dass der Schmerz in ihrem Herzen nur ein Echo aus längst vergangener Zeit war.
Am nächsten Tag machte Tina sich im Garten ihrer Großmutter an die Arbeit. Nana liebte Blumen, aber sie war nicht ganz so wild aufs Unkrautjäten. Sie behauptete immer, dass sie zwar keine Schwierigkeiten habe, sich ins Gras zu knien, aber sie sei nie sicher, ob sie auch wieder aufstehen könne. Doch Tina kannte die Wahrheit. Ihre Großmutter hasste das Unkrautjäten ganz einfach. Das war schon immer so gewesen.
Die Rosen ließen ein wenig die Köpfe hängen, die Gänseblümchen wurden von Löwenzahn erstickt, und die Stiefmütterchen hatten ganz den Geist aufgegeben. Tina kniete sich ins sonnenwarme Gras und genoss die Hitze auf ihrer Haut, während sie sich an die Arbeit machte. Bekannte Rockmelodien drangen von der Stereoanlage im Wohnzimmer durch das offene Fenster zu ihr herüber, sodass sie zu einem beschwingten Rhythmus arbeiten konnte. Der Lärm von Kindern, die Basketball spielten, und Hundegebell klangen von weiter unten aus der Straße zu ihr herauf. Muffin und Peaches beobachteten vom Zaun aus jede von Tinas Bewegungen und kläfften aufgeregt, wann immer etwas besonders Interessantes – zum Beispiel ein Schmetterling – in ihre Nähe kam.
Tina hatte schon eine Stunde gearbeitet, als sie sich schließlich aufrichtete, die Hände ins Kreuz legte und sich streckte, um ihre müden Muskeln zu entspannen. In Kalifornien lebte sie in einer Wohnung und gab sich mit einigen Blumentöpfen auf ihrem Balkon zufrieden, von dem aus sie den Strand von Manhattan Beach überblicken konnte. Dort war sie viel zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt oder dachte über ihre Arbeit nach oder plante etwas Neues für ihre Arbeit, um Zeit für irgendetwas anderes zu haben. Sie fragte sich, wie es so hatte kommen können. Wann hatte sie ihre gesunde Ausgeglichenheit verloren? Seit wann war die Arbeit ihr so viel wichtiger als ihr Leben?
Sie kannte die Antwort auf all diese Fragen natürlich sehr gut.
Wie es schien, hatte alles in ihrem Leben in irgendeiner Weise mit Brian zu tun. Sie hatte sich in ihre Arbeit gestürzt, seit sie von ihm geschieden war. Als ob sie durch die Anstrengung und die Ablenkung hätte vergessen können, wie einsam sie ohne ihn war. Natürlich funktionierte es nicht.
Es war wunderschön, wieder in einem Garten zu arbeiten, und sie genoss die herrliche Gewissheit, dass sie sich nicht ständig darüber Sorgen machen musste, ob sie es noch rechtzeitig bis zum nächsten Geschäftstermin schaffte. Es war wundervoll, einfach nur zu existieren, zu leben, sie selbst zu sein. Deshalb störte es sie auch nicht, dass die Luftfeuchtigkeit in South Carolina kaum zu ertragen war.
Plötzlich erklang wie aus
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