JULIA COLLECTION Band 16
Sie saß am Küchentisch ihrer Großmutter, den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, und machte sich Notizen, während ihre Assistentin redete.
„Der Vertrag für das Haus der Mannerlys ist bereits beim Treuhänder hinterlegt“, sagte Donna mit einer Stimme, die Tina entschieden zu fröhlich klang. „Wirst du rechtzeitig zurück sein, um den Abschluss selbst vorzunehmen?“
In einer Woche, dachte Tina. „Ja, bis dahin bin ich zurück.“ Sie würde wieder zu Hause sein, in ihrer ordentlichen kleinen Wohnung und ihrem ordentlichen kleinen Leben mit der gelegentlichen Verabredung zum Abendessen oder ins Kino. Und vielleicht hatte sie Glück und war schwanger.
„Das wäre prima“, meinte Donna begeistert. „Suzanna Mannerly rief heute Morgen an, um sich bei dir zu bedanken, weil du ihr Traumhaus gefunden hast. Wie es aussieht, ist sie schwanger. Ist das nicht toll? Sie ist ganz aufgeregt.“
„Das glaube ich gern“, sagte Tina tonlos und gab alle passenden Bemerkungen von sich, die ihr einfielen, während Donna weiterplauderte.
„Suzanna sagte, sie würde das Kinderzimmer genau so einrichten, wie du vorgeschlagen hast, als du ihr das Haus das erste Mal gezeigt hast, und …“
Tina hörte nur mit halbem Ohr hin, während sie in Gedanken wieder durch das große viktorianische Haus am Manhattan Beach ging. Suzanna Mannerly hatte es auf Anhieb geliebt, gleich als sie den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte. Und Tina hatte mit ihrer Erfahrung als beste Häusermaklerin in drei aufeinander folgenden Jahren gewusst, dass der Verkauf ihr sicher war.
Als sie Suzanna durch das alte Haus geführt und ihr stolz das Kinderzimmer gezeigt hatte, das Generationen von Kindern beherbergt hatte, war ihr eine Art Erleuchtung gekommen. Und diese Erleuchtung war der Grund für ihre Reise nach South Carolina und ihren Einfall gewesen, mit ihrem Exmann zu schlafen und ein Kind von ihm zu bekommen.
Es war ihr plötzlich bewusst geworden, dass sie Jahr um Jahr nichts anderes getan hatte, als jungen Paaren und Familien Häuser zu zeigen und sie ihre Träume verwirklichen zu sehen. Und während der ganzen Zeit hatte sie sich und ihre eigenen Träume vernachlässigt.
Als Suzanna über das Kinderzimmer in Begeisterung geraten war, hatte Tina plötzlich das Gefühl gehabt, als würde ihre biologische Uhr sehr viel lauter ticken als sonst. Und in dem Moment war ihr ein für alle Mal klar geworden, dass sie im hektischen Trott von Los Angeles niemals finden würde, was sie brauchte. Der Erfolg in ihrem Beruf und das befriedigende Wissen, dass das Guthaben auf ihrem Konto stetig anwuchs, genügten ihr nicht mehr.
Was sie wirklich brauchte, wonach sie sich von ganzem Herzen sehnte, das war eine eigene Familie – Kinder und ein Ehemann. Und jetzt hatte sie vielleicht das eine gewonnen, aber das andere ein weiteres Mal verloren.
„Danke, Donna“, unterbrach Tina ihre Assistentin. Der Magen machte ihr zu schaffen, und ihr war schwindlig. Sie war nicht in der Stimmung, vom Glück anderer Menschen zu hören. Vielleicht war das kleinlich, aber sie brachte einfach nicht die Kraft dafür auf. „Sag Suzanna, dass ich ihr persönlich die Schlüssel zu ihrem Traumhaus überreichen werde.“
Sie wünschte nur, sie könnte dasselbe für sich tun.
Sobald sie aufgelegt hatte, läutete es. Tina stand mühsam und ein wenig unwillig auf und ging zur Haustür. Ihr war nicht nach Gesellschaft zumute. Besonders, falls es Brian sein sollte. Er hatte täglich bei ihr vorbeigeschaut und nachgefragt, ob sie inzwischen ihre Tage bekommen hatte, oder ob ihr morgens übel wurde. Er bestand ständig darauf, dass sie eine Entscheidung treffen müssten. Nun, ihre Tage ließen auf sich warten. Und obwohl sie einerseits die Hoffnung nicht aufgeben wollte, war ihr ständig nach Weinen zumute. Wie viel schwerer würde es für sie sein, wenn sie zwar Brians Kind bei sich hatte, aber ihn nie bekommen konnte?
Sie war ein unvorstellbarer Dummkopf gewesen, das war nur allzu offensichtlich. Dass sie tatsächlich geglaubt hatte, sie könnte ein paar Mal mit ihm schlafen, um dann ganz problemlos wieder abzureisen, als wäre nichts geschehen, ohne Bedauern und ohne Schuldgefühle, das war ein Witz. Es war unfassbar. Janet hatte recht gehabt, sie davor zu warnen.
Aber sie, Tina, hatte ja nicht auf sie hören wollen.
Sie öffnete die Tür und hätte die Frau auf der Schwelle fast unhöflich angefahren. Gerade noch rechtzeitig wurde ihr bewusst, dass es ihre
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