JULIA COLLECTION Band 17
auszusehen, der zur feinen Gesellschaft der Ostküste gehört und die Sommer auf Martha’s Vineyard verbringt.“
„Ich verstehe, Miss Miller. Zu Ihrer Information: Hin und wieder trage ich auch einen Stetson und Westernstiefel.“
„Das glaube ich erst, wenn ich es sehe“, entgegnete sie spontan.
Er lächelte matt. „Gehen wir?“
„Gern.“
Sie gingen die Treppe am Ende des Korridors hinunter und durch die Tür am Ende des Westflügels. Draußen blieben sie unter einer ausladenden Eiche stehen, klappten die Sportkarre auf und machten es Becky darin bequem.
„Darf ich sie schieben?“, bat Cord und klang so hoffnungsvoll, dass Hannah warm ums Herz wurde.
„Natürlich dürfen Sie. Wohin gehen wir?“
„Wie wäre es mit dem Teich? Er liegt hinter den Tennisplätzen und Stallungen.“
„Wie viele Meilen?“
„So weit ist es gar nicht. Wir können diesen Weg nehmen.“ Er zeigte auf einen von Bäumen gesäumten Pfad. „Durch den Garten oder darum herum?“
„Durch den Garten.“
„Ihr Wunsch ist mir Befehl.“
Das hörte sie gern – viel zu gern.
Sie blieb ein wenig zurück, als er sich mit Becky in Bewegung setzte, und stellte erschreckt fest, dass sie anfing, seine Nähe zu genießen. Mehr, als gut war. Konnte daraus ein Problem werden?
Sei nicht albern, tadelte sie sich. Sie hatte seine Fotos auf den Gesellschaftsseiten gesehen. Und die Frauen, mit denen er sich in der Öffentlichkeit zeigte. Von denen war gewiss keine die Tochter eines Tankstellenbetreibers. Er flirtete einfach nur gern, das war alles. Er tat es ganz automatisch, sogar mit ihr. Es hatte nichts zu bedeuten. Und solange sie das nicht vergaß, konnte sie sich entspannen und die Zeit mit ihm genießen.
Cord sah über die Schulter. „Kommen Sie?“ Sie ging schneller.
Im Schatten der Bäume, in denen die verschiedensten Vögel zwitscherten, schlenderten sie an den Tennisplätzen vorbei.
„Reiten Sie, Miss Miller?“, fragte Cord, als sie die Stallungen erreichten.
„Nicht wenn ich es vermeiden kann, Mr. Stockwell.“
„Ein Mädchen aus Oklahoma, das nicht reiten kann?“
„Nicht jedes Mädchen aus Oklahoma ist ein Cowgirl.“
„Was ist mit Tennis?“
„Ehrlich gesagt, dazu hatte ich nie Zeit.“
„Welche Sportarten mögen Sie?“
„Nun ja, ich mag Binokel mit achtundvierzig Karten – ist das Sport? Und ich bowle.“
„Sie bowlen.“
„Und wie. In den Hundertsiebzigern. Das ist verdammt gut, falls Sie das nicht wussten.“
„Ich kann bowlen, Miss Miller.“
„Tatsächlich? Aber was ist mit Binokel?“
„Darin bin ich gar nicht schlecht.“
Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Ich rede von der Variante mit vier Spielern. Ohne die Neunen. Man bietet und dann …“
„Miss Miller, ich kenne das Kartenspiel. Jack, mein älterer Bruder, hat es mir beigebracht. Vor Jahren. Uns dreien.“
„Dreien?“
„Mir. Kate. Rafe – mein Zwillingsbruder.“
„Ich erinnere mich.“ Cord hatte ihr von Rafe erzählt. Dass er Deputy U.S. Marshall war. Aber kaum etwas von Jack – nur dass er selten zu Hause war.
„Jack war damals verletzt worden – sein linker Fuß. In irgendeinem kleinen südamerikanischen Land. Er musste operiert werden, also haben sie ihn nach Hause verfrachtet. Es dauerte Wochen, bis er wieder gehen konnte. Das war der Sommer, in dem Rafe und ich unseren Highschool-Abschluss machten. Wir waren alle zu Hause, also hat Jack uns Binokel beigebracht.“
Cord blieb stehen und lächelte wehmütig. „Jack war immer ein Einzelgänger.“
„Da fanden Sie und Rafe es bestimmt toll, den großen Bruder einen ganzen Sommer hindurch für sich zu haben.“
„Toll?“, wiederholte er. „Wir waren achtzehn.“
„Ach so. Richtige Männer.“
„Jedenfalls hielten wir uns dafür.“
„Aber insgeheim …“
„Okay, wir fanden es toll“, gab er zu.
„Was hat Ihr Bruder in Südamerika gemacht?“
„Das Übliche. Gekämpft.“
„Ist er Soldat?“
„Er ist ein Söldner.“
„Ein Söldner?“
Er grinste. „Ein Mietsoldat in fremden Diensten.“
„Wirklich?“
„Ja. Das machte unseren alten Herrn immer rasend – wie alles an Jack.“ Er zögerte. „Warum erzähle ich Ihnen das alles?“
„Weil es mich interessiert.“
Er schüttelte den Kopf. „Sie sind ganz schön hartnäckig, was?“
Eine Brise ließ das Blätterdach über ihnen rauschen. Irgendetwas streifte ihr Haar, dicht am Ohr. Sie hob die Hand, um danach zu tasten.
„Warten Sie“, sagte er.
Sie
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