JULIA COLLECTION Band 20
Tatsachen zurückzubringen. „Ich kann Hähnchen nicht mehr sehen, aber es war immer noch etwas in der Tiefkühltruhe. Harvey mochte Hähnchen. Bedien dich, wenn du magst. Übermorgen werde ich die letzten Vorräte für das Box Supper verwenden, und dann kann ich endlich die Kühltruhe abtauen.“
Na, das sollte Kells Verlangen doch wohl dämpfen, oder nicht? Seltsamerweise war Daisy immer noch erregt.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“ Er sammelte die Kopien zusammen und wirkte in seiner Verlegenheit fast noch anziehender. War das vielleicht Teil seiner Verführungstaktik?
Wenn ja, dann hatte er damit Erfolg. Hatte Daisy ihn am ersten Tag gleich wieder rauswerfen wollen? Jetzt wollte sie nur noch … „Tja, nun hast du gefunden, wonach du gesucht hast. Ich schätze, dann wirst du bald abreisen.“ Sie wandte sich ab und packte eingefrorene Hähnchenteile in eine Kühltasche, um sie einer früheren Patientin zu bringen, die allein lebte.
„Ich habe vor, noch ein paar Tage zu bleiben, aber ich kann auch in ein Motel ziehen, wenn du dich in meiner Nähe unwohl fühlst.“
Fast wäre sie auf seinen Vorschlag eingegangen, aber dadurch hätte sie praktisch offen eingestanden, dass sie sich in seiner Gegenwart nicht unter Kontrolle hatte. Das stimmte zwar, doch das brauchte er ja nicht zu wissen. Offenbar bedeutete es ihm sehr viel, in dem Haus zu wohnen, in dem sein Vater aufgewachsen war, und Daisy wusste, dass Harvey sich darüber gefreut hätte. „Bleib, wenn du möchtest. Faylene und ich wollen hier bis zum Ende der Woche fertig werden. Also haben wir beide eine Menge zu tun.“
Falls ihn das erleichterte, so ließ er es sich nicht anmerken. „Okay. Ich habe morgen noch ein paar Verabredungen, und anschließend möchte ich in der Gegend herumfahren und mir ein paar Plätze ansehen, die mein Dad mal erwähnt hat. Ich habe mir eine Karte gekauft, auf der der Dismal Swamp und die Outer Banks eingezeichnet sind.“
Daisy war enttäuscht und erleichtert. Wenigstens würde er ihr nicht mehr länger vor den Füßen herumlaufen. Dadurch brachte er sie nur ständig in Versuchung, ihre Zukunftspläne zu vergessen und sich in eine wilde Affäre zu stürzen.
Am Montagabend suchte Daisy in Harveys Sammlung nach etwas zum Lesen, damit sie besser einschlafen konnte. Sie fand zwar nichts, doch der Anblick der abgestaubten Bücher machte sie stolz. Heute hatte sie sich über den Schrank mit der Bettwäsche hergemacht. Sie hatte Unmengen an Laken und Kopfkissenbezügen verpackt. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis sie aus diesem Haus auszog.
Wohin, das wusste sie immer noch nicht. Ihr Apartment war immer noch nicht bezugsfertig – jetzt gab es irgendein Problem mit Schimmel. Hätte sie es nicht besser gewusst, dann hätte sie gedacht, dass der Eigentümer sie nur hinhalten wollte.
Von Kell hatte sie den ganzen Tag nichts gehört. Sie war erschöpft und seltsam bedrückt. Schließlich setzte sie sich ins Auto und fuhr in die Stadt. So oberflächlich ihre Freundinnen manchmal auch waren, wenn es darauf ankam, war Verlass auf sie.
„Na, wie geht’s dem gut gebauten Hausgast?“, erkundigte sich Marty, nachdem Daisy sich aus ihren Büchern ein halbes Dutzend romantischer Thriller ausgesucht hatte. „Es hat sich schnell herumgesprochen, wer bei dir wohnt. Du hättest mal Gracie hören sollen, die im letzten August aus Edenton hierhergezogen ist, um Miss Hatties Job am Gericht zu übernehmen. In ihrer Beschreibung klingt dein Mitbewohner wie ein männliches Supermodel. Großer Kerl, breite Schultern, knackiger Po und vorn …“
„Genug, Marty!“ Daisy seufzte entnervt. „Schweig einfach, okay? Zugegeben, Kell sieht ziemlich gut aus, aber …“
„Ziemlich gut. Das ist so, als würdest du sagen, Bill Gates sei ziemlich wohlhabend.“
„Egal. In ein oder zwei Tagen wird er wieder fahren.“
„Schade. Ich hatte mir schon überlegt, ob ich ihn nicht zum Box Supper einladen soll. Nichts Ernstes, verstehst du? Nur ein bisschen Spaß.“
Daisy blätterte gerade in einem Roman und überlegte, ob sie ihn schon mal gelesen hatte. „Du wärst doch ohnehin viel zu sehr damit beschäftigt, Faylene und Gus zusammenzubringen. Das sollte dir als Unterhaltung ausreichen.“ Sie blickte hoch und musste belustigt lächeln. „Sie ahnt, dass wir irgendetwas vorhaben. Aber das ist ja auch kein Wunder, wenn man bedenkt, was du ihr angetan hast.“
„Das habe ich nur für sie getan.“
„Schon möglich. Aber wundere
Weitere Kostenlose Bücher