Julia Collection Band 21
Außerdem hat sie die Persönlichkeit einer toten Katze.“ Ricky Brownlows boshafter Unterton erschreckte Pippa bis ins Mark. „Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass wir uns einen Gefallen tun würden, wenn wir D’Alessios sexistische Vorlieben ignorieren und ihm an seinem ersten Tag bei uns Pippa Platt präsentieren würden.“
Erschüttert über das soeben Gehörte und von der Angst beseelt, man könne sie beim Lauschen ertappen, huschte Pippa hinaus auf den Flur und floh ohne ihren Mantel. Durch diesen kurzen Dialog hatte sie erfahren, warum Cheryl statt ihrer Venstars neue Finanzmanagerin wurde. Pippa Platt? Übelkeit befiel sie. Ricky Brownlow hatte es auf den Punkt gebracht: Im Gegensatz zu ihr, Pippa, war Cheryl äußerst attraktiv und beliebt bei Männern. Die üppigen Kurven der Brünetten hatten die Entscheidung stärker beeinflusst als ihre Fähigkeiten.
Die Demütigung schlug Pippa auf den Magen, sie kämpfte mit den aufsteigenden Tränen. Es war unfair. Der Job war wie geschaffen für sie, und sie hatte verdammt hart für den Aufstieg gearbeitet. Niemand hatte das Recht, einen anderen Menschen nach seinem Äußeren zu beurteilen. Es war im höchsten Maß falsch, verstieß gegen sämtliche Grundsätze des Personalwesens, und eigentlich verdiente Venstar es, für diese schäbige Behandlung verklagt zu werden.
Selbst ihre beste Freundin würde sie nicht als Augenweide bezeichnen … Pippa Platt? War das eine Tatsache? Ricky würde bestimmt niemals glauben, dass ihr als Fünfzehnjähriger ein lukrativer Vertrag von einer Modelagentur angeboten worden war. Natürlich war ihr Vater bei der bloßen Vorstellung außer sich geraten, seine Tochter könnte eine, wie er es nannte, geistig anspruchslose Karriere anstreben. In den folgenden acht Jahren hatte Pippa jedoch die Erinnerung an jenen Tag gehütet, an dem sie gegen Martin Stevensons strenge Befehle rebelliert hatte. Sie war heimlich zu der Agentur gegangen und hatte sich schminken und frisieren lassen. Fasziniert hatte sie miterlebt, wie Kosmetik und geschickt gewählte Garderobe sie aus einer blassen, mageren Bohnenstange in eine strahlende, langbeinige Schönheit verwandelt hatten. Dann hatte jedoch der alte, lüsterne Fotograf sie belästigt, und sie war nach Hause geflohen, fest davon überzeugt, dass ihr Vater über die gefährliche Verderbtheit der Modebranche die Wahrheit gesagt hatte.
Warum sollte sie nicht versuchen, zumindest einen Teil dieser wundersamen Verwandlung zu ihrem Vorteil zu wiederholen? Sie könnte perfekt gestylt auf der Party erscheinen, um Ricky Brownlow und den versnobten Macho Andreo D’Alessio eines Besseren zu belehren. Wie konnte ein Mann nur so dumm sein, selbst im geschäftlichen Bereich Schönheit höher zu bewerten als Intelligenz?
Obwohl der Regen sie bis auf die Haut durchnässte, blieb Pippa auf der Straße stehen und rief mit dem Handy ihre Freundin Hillary an. Hillary Ross war Friseurin, und auf die Frage hin, ob sie Pippa in letzter Minute zu einer Haarrettungsaktion einplanen könne, schnappte sie empört nach Luft.
„Wirst du endlich eitel? Oder ist schon Weihnachten oder so?“
„Oder so“, erwiderte Pippa unbehaglich. „Ich gehe heute Abend aus – es ist wirklich wichtig.“
Hillary hatte ein Herz in der Größe des Erdballs und forderte sie auf, sofort vorbeizukommen. Dann schalt sie Pippa, weil diese es für nötig befunden hatte, ihre älteste Freundin um einen Termin zu bitten. „Zumal du nur ein Mal im Jahr etwas für dein Haar tust“, fügte sie scherzhaft hinzu.
Pippa fuhr mit der U-Bahn nach Hounslow, einem Vorort westlich von London, in dem Hillary ihren Salon hatte. Eingezwängt zwischen anderen Passagieren gestand sie sich ihre Erleichterung darüber ein, dass ihr Vater nicht mehr lebte und sich wegen der gescheiterten Bewerbung schämen konnte. Aber wann ist es mir je gelungen, seine Erwartungen zu erfüllen und ihn stolz auf mich zu machen?, fragte sie sich bekümmert.
Sie dachte an jenen Sommer vor sechs Jahren, der das Leben ihrer Familie zerstört hatte. Sie war erst siebzehn gewesen, als ihre Eltern und drei andere Familien zum letzten gemeinsamen Urlaub in die Dordogne gereist waren. Ihre Freundschaft mit Hillary Ross reichte bis in die Kindheit zurück. Die Ross’ hatten zur Gruppe gehört, die nach Frankreich gefahren war, und da der Urlaub ein jährlich wiederkehrendes Ereignis war, bestand kein Grund zu der Annahme, dass der diesjährige sich vom vorherigen
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