Julia Collection Band 22
Mal, wenn er sie küsste, nichts weiter zählte, als dass sie in seinen Armen lag? Oder dass sie sich völlig gehen ließ, wenn er sie liebte?
Sie schloss die Augen, in dem Versuch, einen erneuten Tränenstrom zu unterdrücken. Sie liebte ihn – hatte nie aufgehört, ihn zu lieben. Aber er hatte unmissverständlich klargestellt, dass er ihre Liebe nicht wollte und auch nicht die Absicht hatte, sie zu erwidern. Und selbst wenn Nick sie lieben sollte, war sie sich nicht sicher, ob sie ihm trauen konnte.
Er hatte ihr so viele Dinge über ihren Vater erzählt, die sie noch immer kaum glauben konnte. Unglücklicherweise gelang es ihr nicht, seine Anschuldigungen als abwegig abzutun, so sehr sie es sich auch wünschte.
Damals, vor dreizehn Jahren, war ihr Vater ein mächtiger Richter gewesen, mit einer unerklärlichen Abneigung gegenüber Nicks Familie. Und obwohl er für sie stets ein liebevoller und freundlicher Vater war, wusste sie, dass er sich anderen gegenüber nicht so verhalten hatte. Sein Ruf als äußerst strenger und intoleranter Mann war legendär. Aber sie konnte einfach nicht glauben, dass er seine Macht dazu missbraucht haben sollte, Nicks Leben zu ruinieren, nur weil der versucht hatte, sie zu heiraten.
Sie hatte überlegt, ob sie ihn mit den Anschuldigungen konfrontieren sollte, die Nick vorgebracht hatte, doch der Blutdruck ihres Vaters war seit dem Abend, als sie Nick im Restaurant begegnet waren, ohnehin ein wenig zu hoch. Sie wollte nicht riskieren, mit ihrer Frage seine gesundheitlichen Probleme noch zu verschlimmern.
„Cheyenne!“
Die Stimme ihres Vaters, die durch die Gegensprechanlage ertönte, die sie nach seinem Schlaganfall hatte installieren lassen, ließ sie abrupt auffahren. Es war nicht ungewöhnlich, dass er schon so früh am Morgen aufstand, doch die Panik in seiner Stimme sagte ihr, dass etwas nicht in Ordnung war.
Sie drückte auf die Sprechtaste am Apparat neben ihrem Bett. „Ich bin sofort bei dir, Daddy.“
„Beeil dich! Die Scheune brennt!“
Cheyennes Herz begann heftig zu klopfen, und während sie die Treppe hinunterrannte, wirbelten die Gedanken nur so durch ihren Kopf.
Wie viele Tiere waren dort untergebracht? Die Kälber, die sie von der Herde getrennt hatte, waren wieder auf der Weide, nachdem sie sie erfolgreich wegen ihrer Augenentzündung behandelt hatte. Aber ihr Wallach und Mr. Nibbles standen in der Scheune.
„Ruf die Feuerwehr an“, befahl sie, als sie an ihrem Vater vorbei zur Hintertür lief.
Sie flitzte die Rollstuhlrampe hinunter und weiter durch den Garten, wobei sie den Schmerz ignorierte, den die Steine auf ihren nackten Fußsohlen hervorriefen, als sie den Kiesweg entlangsprintete. Ihr schauderte beim Anblick des gespenstischen Glühens, das sie in der ansonsten dunklen Scheune entdeckte, und war froh, dass sie wegen der Augusthitze zum Schlafen ein Hemd und Shorts angezogen hatte. Sie musste ihren Wallach und das Pony dort herausholen, und ein Nachthemd wäre dabei äußerst hinderlich gewesen.
„Ich habe Gordon angerufen“, rief ihr Vater, während er seinen Rollstuhl hinaus in den Garten lenkte. „Er ruft die freiwillige Feuerwehr zusammen.“
„Sie werden niemals rechtzeitig hier sein!“ Cheyenne lief zum Scheunentor.
„Cheyenne, nein!“
Die Panik in der Stimme ihres Vaters ließ sie eine Sekunde lang innehalten, doch dann gab sie sich einen Ruck. Zwei Pferde warteten darauf, dass sie sie in Sicherheit brachte, und Cheyenne wollte sie nicht enttäuschen.
9. KAPITEL
Als die Dämmerung einsetzte, wendete Nick und fuhr zurück in die Richtung, aus der er gekommen war, zur Sugar-Creek-Ranch. Er war lange vor Tagesanbruch losgefahren, um zeitig auf der Ranch in Colorado einzutreffen, die er besichtigen wollte, weil sie nach ökologischen Gesichtspunkten geführt wurde. Doch je mehr Meilen er zwischen sich und Cheyenne wusste, desto deutlicher realisierte er, dass er sie gar nicht zurücklassen wollte. Sie waren bereits dreizehn Jahre lang getrennt gewesen, und was ihn betraf, war jede einzelne Minute, die er nicht bei ihr war, die reinste Vergeudung.
Er war entschlossen, später zur Flying-H-Ranch zu fahren, Richter Holbrook zur Rede zu stellen und ihm klarzumachen, dass er seine Aversion gegen die Daniels entweder überwinden oder sich damit arrangieren musste. Dann würde er Cheyenne fragen, ob sie noch einmal die Reise zu der kleinen Kirche jenseits der Grenze mit ihm unternehmen wollte. Und diesmal würde die Geschichte anders
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