Julia Collection Band 22
aus der Arztpraxis gekommen war. Sie hatte sich immer Kinder gewünscht, aber in ihrer Vorstellung war sie dann immer auch glücklich verheiratet gewesen und hatte dem freudigen Ereignis zusammen mit einem Mann entgegengesehen, den sie liebte und der ihre Liebe erwiderte. Von einem Mann schwanger zu werden, der die soziale Stellung sehr viel höher einschätzte als eine bedeutungsvolle Beziehung, war nicht geplant gewesen.
Craig Culbertson hatte sie damals mit seinem Charme und seinen Aufmerksamkeiten betört. Doch sie hatte schnell festgestellt, dass er nicht der Mann war, für den sie ihn gehalten hatte. Er hatte seinen wahren Charakter hinter einem gewinnenden Lächeln und einem charmanten Benehmen versteckt. Als sie sich schließlich von ihm getrennt hatte, waren oberflächlich, selbstverliebt und egoistisch noch die harmlosesten Wörter, die ihr einfielen, um diesen aufgeblasenen Kerl zu beschreiben.
Als sie jedoch einen Monat nach dem Auseinanderbrechen ihrer Beziehung herausgefunden hatte, dass sie schwanger war, hatte sich ihre Enttäuschung über Craig in schiere Angst verwandelt. Einen entscheidenden Grund, die Beziehung zu beenden, hatte Craig ihr selbst geliefert. Sie war entsetzt gewesen, als er ihr ein Geheimnis anvertraut hatte: Als Neunzehnjähriger hatte er seine damalige Freundin geschwängert, und sein zwölfjähriger Bruder war eigentlich sein Sohn. Nachdem seine Eltern von der Schwangerschaft erfahren und festgestellt hatten, dass das Mädchen für ihren Sohn nicht standesgemäß war, hatten sie ihr Geld und ihre Beziehungen in Houston spielen lassen, um das Sorgerecht für das Baby zu bekommen. Sie hatten es adoptiert und den Jungen als ihren eigenen Sohn großgezogen.
Ein Schauer durchfuhr Callie. Sie konnte sich vorstellen, wie verzweifelt und hilflos die junge Mutter sich gefühlt haben musste, nachdem man ihr den Kontakt zu ihrem Kind verweigert hatte. Und das war genau der Grund, warum Callie ihren Job als Krankenschwester in einem Krankenhaus in Houston aufgegeben und die Stelle hier bei „Life Medevac“ angetreten hatte.
Wenn Craig herausbekam, dass sie schwanger war, würden er und seine Eltern ihr womöglich das Gleiche antun wie damals der Mutter seines ersten Kindes. Callie war nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden, und sie war in den Augen der Culbertsons ganz sicher keine geeignete Kandidatin, um den Erben aufzuziehen. Sie würden sie vor Gericht schleifen, und dort konnte sie nur verlieren. Sie besaß nicht genügend Geld, um sich auf einen Sorgerechtsprozess gegen die erstklassigen Anwälte der Culbertsons einzulassen.
Sie kam aus einfachen Verhältnissen, und da ihre Mutter sie allein hatte großziehen müssen, war das Geld stets knapp gewesen. Und selbst wenn ihr Vater nicht von einem Sturm ins Meer gerissen worden wäre, als er auf einer Ölplattform im Golf von Mexiko gearbeitet hatte, hätte das ihre gesellschaftliche Stellung auch kaum verbessert.
Während sie in die Straße einbog, die zum Hangar führte, legte Callie die Hand auf ihren gewölbten Bauch. Auch wenn sie nicht aus einer reichen Familie stammte, ihren kleinen Jungen liebte sie schon jetzt von ganzem Herzen, und sie würde nicht zulassen, dass man ihn ihr wegnahm.
Sie parkte ihren Wagen, holte tief Luft und zwang sich, Houston und die skrupellosen Culbertsons zu vergessen. Jetzt würde sie sich der Begegnung mit Hunter stellen und ihm sagen, dass sie ausgiebig über seine Bitte nachgedacht hatte, nicht mehr zu fliegen. Sie hatte sogar noch einmal mit ihrem Arzt darüber gesprochen, doch sie waren zusammen zu der Überzeugung gelangt, dass es keinen Grund für sie gab, schon jetzt ihren Job aufzugeben. Das musste sie nun nur noch Hunter erklären.
„Hallo, Mary Lou“, sagte sie, als sie in das Geschäftszimmer trat. „Ist Hunter in seinem Büro?“
Die ältere Frau nickte. „Ich vermute, er hockt da und stellt die Liste mit den Größen aller Mitarbeiter zusammen, damit er neue Overalls bestellen kann.“ Sie lachte. „Wie steht dir Rot?“
„Wir sollen rote Overalls tragen?“
„Das hat er gesagt.“ Mary Lou schaute sie nachdenklich an. „Wenn ich es recht bedenke, gefällt mir die Idee. Man wird unsere Crews dann sehr viel besser von all dem anderen Rettungspersonal bei einem Unfall unterscheiden können.“
„Stimmt. Manchmal ist es wirklich verwirrend, weil alle ähnlich blaue Sachen tragen wie wir“, stimmte Callie zu.
„War beim Arzt alles okay?“ Seit Mary Lou
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