Julia Collection Band 26
getroffen, sogar noch mehr als Annie oder mich. Einmal dachte ich sogar, er könnte zusammenbrechen, aber nachdem Mum fortgegangen war, hatten wir so viel Arbeit, dass wir keine Zeit zum Trauern hatten. Das hat ihm gutgetan. Harte Arbeit hilft, nicht wahr?“
„Das stimmt.“
Sie sahen einander an, und Kane fühlte, wie es ihm die Kehle zusammenschnürte. Charitys Augen wirkten wie grüne Seen, die ihn lockten, in sie einzutauchen.
Kurz nach der Mittagszeit erreichten sie eine glatte Granitfläche, die von einem gewaltigen Kajeputbaum beschattet wurde. Damit Charity in dieser Hitze nicht an Kraft verlor, legte Kane eine Rast ein.
Die Luft war sehr heiß, während sie Sandwiches und Orangen aßen. Nicht der kleinste Hauch war zu spüren, und zu hören waren nur die schrillen Schreie der gelbbrüstigen weißen Kakadus, die einander in den Baumwipfeln jagten.
Charity legte das halb gegessene Sandwich aus der Hand, stand seufzend auf, kletterte zum Uferrand hinauf und blickte zu den Bergen. Als sie zurückkehrte, waren ihre Züge angespannt, und sie packte ihr Essen ein.
„Wollen Sie wieder aufbrechen?“, fragte Kane.
„Nein.“
Sie überraschte ihn immer wieder. „Was ist los? Fühlen Sie sich nicht gut?“
„Doch, aber ich mache keinen Schritt mehr, bevor Sie mir nicht genau erklärt haben, wo Tim ist und warum er sich versteckt.“
„Aber …“
„Kein Aber, Kane!“ Sie warf einen bedeutungsvollen Blick zu den Bergen. „Ich lasse mich auch nicht mehr durch eine höfliche Unterhaltung ablenken.“
„Wo liegt das Problem?“
„Ich ertrage die Spannung nicht. Je näher wir den Bergen kommen, desto nervöser werde ich, anstatt mich zu beruhigen. Ich mache mir schreckliche Sorgen. Sie müssen mir sagen, was los ist, sonst werde ich …“
Unerwartet traten ihr Tränen in die Augen, und sie barg das Gesicht in den Händen.
Kane fühlte sich schrecklich. Als er ihr die Hand auf die Schulter legte, hob sie ruckartig den Kopf. Tränen schimmerten in ihren grünen Augen, und sie biss sich auf die Lippe, um sich zu beherrschen.
„Sie haben recht“, lenkte er ein. „Es ist an der Zeit, dass ich Ihnen alles erzähle.“
Rasch wischte sie sich mit dem Handrücken übers Gesicht und schniefte laut. „Tut mir leid, das war kein weiblicher Trick. Es … es ist einfach passiert.“
Kane lächelte ihr zu. „Trick oder nicht, es wirkt immer. Setzen Sie sich, während ich Ihnen alles erkläre.“
Sie setzte sich wieder zu ihm auf die Granitplatte. „Also, ich höre.“
„Na ja, Sie haben schon erraten, dass Tim sich in den Bergen aufhält. Er versteckt sich an einem sehr abgelegenen Ort, den nur meine Familie kennt. Deshalb ist er dort sicher.“
„Sicher wovor?“, fragte sie eindringlich.
„Vor Ärger.“
Aus ihren Augen traf ihn ein ängstlicher Blick.
„Sie wollen vermutlich die ganze Geschichte hören.“
„Natürlich.“
Kane seufzte. „Tim hat sich an der Grenze unseres Besitzes um unsere Rinder gekümmert und ist dabei auf eine riesige Hanfplantage gestoßen.“
„Drogen? Um Himmels willen, Sie bauen doch keine auf der Southern Cross an, oder?“
„Natürlich nicht. Es handelte sich um ein Feld, das an unseren Besitz grenzt. Manchmal durchbricht unser Vieh den Zaun und treibt sich dann dort herum. Deshalb habe ich Tim losgeschickt, damit er nach verirrten Rindern sucht und sie zurückbringt. Dabei hat er dieses große Hanffeld entdeckt. Wir haben es natürlich der Polizei gemeldet, die daraufhin etliche Verhaftungen vornahm.“
„Wird Tim als Zeuge benötigt?“
„Ja, aber Drogenkriminelle sind gerissene Typen, deshalb hält die Polizei Ihren Bruder als Überraschungszeugen zurück.“
Charity klopfte sich roten Staub von der Jeans. „Muss er sich deshalb verstecken?“
„Richtig.“
Sie überlegte eine Weile, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich verstehe aber nicht, warum er sich in den Bergen aufhalten muss. Ist das nicht ziemlich übertrieben?“
„Normalerweise wäre es das schon“, bestätigte Kane. „Bei Tim war die Lage allerdings schwierig. Einige Leute in der Gegend haben von der Geschichte Wind bekommen, und die Polizei fürchtet, die Bosse in der Großstadt könnten versuchen, Tim zum Schweigen zu bringen oder zumindest einzuschüchtern.“
Sie sah ihn entsetzt an. „Ich verstehe noch immer nicht. Wenn Tim ein dermaßen wichtiger Zeuge ist, warum hat ihm die Polizei dann keinen Schutz angeboten?“
„Das hat sie, aber der Starrsinn liegt offenbar in
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