Julia Collection Band 26
einziges Mal eine Rast zum Trinken ein. Stattdessen setzte sie im Gehen die Wasserflasche an die Lippen.
Der Marsch war alles andere als einfach, weil das Flussbett mit Steinen aller Größen übersät war, doch Charity besaß die unerschöpfliche Energie einer Löwin, die ihr verirrtes Junges suchte.
Ein feiner Schweißfilm glänzte auf ihrer Haut, und unter dem breiten Hut hing ihr das Haar feucht ins Gesicht, doch sie machte weiter.
„Jetzt glaube ich Ihnen, dass Sie den Mount Snowdon bestiegen haben“, sagte Kane.
„Haben Sie mir denn vorher nicht geglaubt?“
„Na ja, Sie sehen nicht gerade wie eine Bergsteigerin aus, sondern wirken eher zart.“
„Unsinn.“ Trotz aller Probleme lachte sie unbekümmert. „Ich sehe vielleicht zart aus, aber lassen Sie sich nicht täuschen. An meinem Körper ist alles …“
Sie sprach den Satz nicht zu Ende, zog hastig den Hut tief in die Stirn und ging noch schneller, als wollte sie vor Kane fliehen.
Er beobachtete sie amüsiert, denn er wusste genau, was mit ihr los war. Sie war verlegen, weil sie so offen über sich gesprochen hatte. Noch viel verlegener wäre sie, wenn sie wüsste, woran er schon seit einiger Zeit dachte.
In seiner Fantasie malte er sich nämlich aus, wie er Charity Denham testen konnte, ob sie wirklich so zart war, wie sie aussah.
Anfangen wollte er bei ihrem Mund und ihn mit langen, sinnlichen und hingebungsvollen Küssen erforschen. Danach würde er sich ihren Brüsten widmen, um herauszufinden, ob die Spitzen so rosig schimmerten wie ihre Lippen. Und dann gab es noch eine ganze Menge zu entdecken, aber …
Nein, er wollte sich nicht selbst quälen. Es gab tausend Gründe, weshalb er Charity Denhams Charme niemals erliegen durfte.
Kane holte auf und schlug einen rauen Ton an. „Hoffentlich passen Ihnen Annies Stiefel gut. Wenn Sie nämlich Blasen kriegen, wissen Sie, dass Sie zumindest zarte Füße haben.“
Sie reagierte nicht. Vernünftiges Mädchen.
Später verließen sie das ausgetrocknete Flussbett und überquerten eine Ebene, die sich vor der Bergkette hinzog. Schließlich stießen sie auf einen Wasserlauf, der in einer Reihe kleiner Wasserfälle von den Bergen herunterkam.
„Es ist nicht mehr weit“, erklärte Kane, „aber das letzte Stück geht bergauf.“
Sie hielt den Hut fest und legte den Kopf in den Nacken. „Wie hoch müssen wir steigen?“
Bevor er antworten konnte, erklang von oben ein lautes „Cooee!“.
Charity wirbelte herum und packte Kane aufgeregt am Arm. „Haben Sie das gehört? Das war doch Tim, oder?“
„Klingt ganz nach ihm“, bestätigte er lächelnd. „Er schafft den Ruf noch nicht ganz, aber er hat sich schon verbessert.“ Kane kniff die Augen zusammen und hielt auf dem höher gelegenen Gelände Ausschau nach einer Bewegung. „Ich glaube, er hat uns gesehen und steigt herunter.“
„Endlich!“ Charity eilte voran. „Gehen wir weiter!“
„Warten Sie, Chaz. Folgen Sie mir, sonst kommen Sie vom Weg ab.“
Die Warnung war unnötig. Noch ehe sie mit dem Aufstieg begonnen hatten, tauchte Tim Denham unvermittelt vor ihnen aus dem dichten Gebüsch auf.
Mit einem Aufschrei lief Charity ihrem Bruder entgegen.
Dem jungen Mann blieb der Mund offen stehen, als er seine Schwester erkannte. „Charity!“, rief er. „Was machst du denn hier?“
Wortlos warf sie sich ihm an die Brust und umarmte ihn.
Tim blickte über sie hinweg zu Kane. „Was soll das?“, fragte er energisch. „Sie haben mir versprochen, meine Angehörigen aus der Sache herauszuhalten.“
„Nicht, Tim! Du darfst Kane keine Vorwürfe machen. Ich habe ihm keine Wahl gelassen. Freust du dich nicht, mich zu sehen?“
„Na ja … doch … schon … natürlich.“
7. KAPITEL
Das Wiedersehen verlief anders als erwartet und zwang Charity zum Umdenken. Zuerst war sie sehr glücklich gewesen. Schließlich hatte sie sich schreckliche Sorgen um ihren Bruder gemacht und große Angst ausgestanden. In Gedanken hatte sie Tim noch immer als kleinen Jungen vor sich gesehen, der einsam und verstört war und sie brauchte.
Doch nun stand er vor ihr und sah fantastisch aus. In einem dunkelblauen Hemd und Jeans und mit einem breitkrempigen Akubra auf dem Kopf wirkte er sehr attraktiv. Natürlich war das ihr Tim, doch er war stärker, kräftiger und viel erwachsener geworden.
Dunkle Bartstoppeln bedeckten Wangen und Kinn, und das schwarze Haar wellte sich am Kragen. Über der Schulter hing sogar ein Gewehr.
„Ich kann noch immer nicht
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