Julia Collection Band 28
Allmählich empfand Erin die Situation als ziemlich entmutigend.
Am Freitagnachmittag sorgte Erin dafür, dass Jessica ein Nickerchen machte, wobei der bewusste Stapel Fotos deutlich sichtbar auf der Kommode lag. Dann zog Erin sich mit einer Tasse Tee auf die Couch zurück und rief ihre Schwägerin Susan an. Sie wusste nicht mehr weiter und musste sich mit jemandem beraten.
Erin hatte es stets bewundert, dass Susan, die ein Kind verloren hatte, in ein unbeschwertes und heiteres Leben zurückgefunden und sich um ihre anderen Kinder gekümmert hatte. Wenn in der jetzigen Situation jemand helfen konnte, war es diese erstaunliche Frau.
Nach dem zweiten Klingeln meldete sich ihre Schwägerin. „Hey, Erin, wie ist die neue Arbeit?“
„Einfach großartig“, erwiderte Erin, wobei sie leicht übertrieb.
„Hm, für mich klingt das aber nicht so.“
„Bin ich dermaßen leicht zu durchschauen?“ Erin seufzte. „In vieler Hinsicht ist es großartig, aber ich komme bei Jessica nicht wie erhofft voran. Bisher haben alle meine Versuche, sie dazu zu bringen, über ihre Mutter zu reden, versagt.“ Ganz zu schweigen von meinen Versuchen bei Sam.
„Woran liegt es?“, erkundigte sich ihre Schwägerin.
Erin schilderte die gesamte Situation und fügte hinzu: „Ich merke deutlich, dass die Kleine ganz viele Gefühle für ihre Mommy tief in sich verschlossen hält. Ich komme da nicht heran.“
„Natürlich reagiert sie so. Schließlich war sie noch sehr jung, als es passierte.“
„Ja, aber wenn sie diese Gefühle nicht freilässt, kommt es irgendwann zu einem Zusammenbruch.“ Erin zögerte mit Rücksicht auf ihre Schwägerin, sprach dann aber doch weiter. „Ich weiß, dass es für dich hart ist. Erinnerst du dich noch daran, wie die Kinder anfingen, offen über Bryce zu sprechen? Kellan war ungefähr in Jessicas Alter, und er hat sich als Erster geöffnet. Ich weiß nur nicht mehr, wie wir das erreicht haben.“
„Es fällt mir gar nicht schwer, darüber zu sprechen“, erwiderte Susan. „Mittlerweile bin ich so weit, dass ich froh bin, Bryce gehabt zu haben. Natürlich fehlt er mir ständig, und ich werde mich von dem Schmerz nie ganz erholen. Nur … wenn ich jetzt an ihn denke, lächle ich, anstatt zu weinen.“
„Du bist wirklich einmalig.“
„Ich bitte dich“, wehrte Susan lachend ab. „Das Leben geht eben weiter, und ich lebe auch für meinen Sohn, dem das nicht vergönnt war. Übrigens hätten wir es ohne dich nie so weit geschafft. In Wahrheit bist du einmalig.“
„Wenn ich so toll bin, was mache ich dann hier falsch?“, fragte Erin. „Sam verschließt sich, und ohne ihn komme ich nicht an Jessica heran. Allerdings habe ich so den Eindruck, dass er sich schon vor jenem Brand gefühlsmäßig zurückgezogen hat.“
„Woher weißt du das?“
„Das vermute ich eigentlich nur, es ist mein Gefühl, das mir das sagt, nicht mein Kopf“, gestand Erin. „Der Mann gibt sich stark und schweigsam, und ich bekomme nur mit Gewalt etwas aus ihm heraus.“
Susan überlegte eine Weile. „Das war auch bei Eamon so“, meinte sie dann.
„Ich weiß“, bestätigte Erin. „Aber er ist dein Mann, und Sam ist mein Arbeitgeber. Das ist etwas völlig anderes.“
„Ja, schon, aber könnte es vielleicht sein, dass du etwas für deinen Arbeitgeber empfindest? Könnten dir vielleicht Gefühle in die Quere kommen?“
„Nein, niemals!“, wehrte Erin hastig ab.
„Manchmal ist es sogar hinderlich, wenn einem etwas an einem Menschen liegt, dem man helfen möchte“, gab Susan zu bedenken. „Ich wollte Eamon helfen, konnte es aber nicht.“
Erin erschrak, weil ihre Schwägerin sie durchschaute. Um Susan nicht direkt anzulügen, antwortete sie ausweichend. „Ich habe wirklich keine Affäre mit meinem Arbeitgeber!“
„Das habe ich auch nicht gemeint, aber du fühlst dich zu ihm hingezogen. Stimmt’s?“
Erin seufzte. „Woher weißt du das? Kann ich denn gar nichts für mich behalten?“
„Es ist der Klang deiner Stimme, der dich verrät, Honey“, versicherte Susan lachend. „Und ich kann dir nur raten, morgen beim Brunch ein Pokergesicht zu machen. Alle werden dich ausfragen. Eamon ist von seiner Geschäftsreise zurück und wird dich mit Adleraugen beobachten, du kennst ihn ja.“
„Als ob das was Neues wäre! Das ist doch der Fluch meines Lebens. Ich werde immer so rot, dass man es noch meilenweit leuchten sieht. Ich kann meine Gefühle nicht verbergen, und ich kann vor meinen Brüdern nichts
Weitere Kostenlose Bücher