Julia Collection Band 57
und die Angst. Nicht vor dem Sterben, sondern davor, nicht wirklich gelebt zu haben. Lindsey nie geliebt zu haben. „Das Feuer entflammte mein Verlangen nach dir, das ich so lange unterdrückt hatte, und ich hatte wahnsinnige Angst, dass es meine einzige und letzte Chance bei dir sein würde. Ich dachte nur an meine eigenen Bedürfnisse. Und da ich keinen Zweifel daran hatte, dass du mich nicht zurückweisen würdest, nahm ich mir, was ich begehrte.“
„Du hast nichts genommen, was du nicht hättest nehmen dürfen. Nichts, was ich dir nicht bereitwillig gegeben und nicht genauso sehr gewollt hätte wie du.“ Sie hatte sich ihm damals nicht verweigert. Und letzte Nacht auch nicht, als er sie erneut begehrte.
Wie gern hätte sie beteuert, dass sie beide schuldig waren, falls von Schuld überhaupt die Rede sein konnte. Aber sie ahnte, dass er mit seiner Selbstanklage noch nicht zu Ende war. Also schwieg sie und hörte zu.
„Als ich Lucky den Vortritt ließ, war ich überzeugt, es für den besseren Menschen zu tun. Und weil ich meiner Schuld entkommen wollte. Verdammt, ich war mir absolut sicher, zu wissen, was das Beste für uns drei war. Dennoch fand ich die Vorstellung, dass Lucky dich bekam, so unerträglich, dass ich vor eurer Hochzeit das Weite suchte.“ Und das alles, weil er, Lincoln, nicht den Mut gefunden hatte, sich zu offenbaren.
„Du wusstest doch nicht, dass ich ein Kind von dir erwartete.“
„Ich blieb ja auch nicht lange genug, um es herauszufinden, nicht wahr? Nein, es ging immer nur um mich. Meine Schuld. Meine Schande. Nie habe ich daran gedacht, welche Konsequenzen unsere Liebesnacht vielleicht für dich hatte. Nein, ich verschwand einfach.
Dann erschien ich zwei Monate später wieder auf der Bildfläche, um dich, weil du keinen Vater hattest, zum Altar zu führen und Lucky zur Frau zu geben, so schwer es mir auch fiel. Und noch immer stellte ich dir keine Fragen.“
„Ich hätte dir keine Antwort geben können, Lincoln. Denn ich hatte nicht den leisesten Verdacht, schwanger zu sein. Lucky und ich waren schon einen Monat verheiratet, als ich erfuhr, dass ich ein Kind von dir bekam. Es hatte keinerlei Anzeichen für eine Schwangerschaft gegeben, keine Probleme. Nicht einmal …“ Lindsey hielt inne, um zu überlegen, wie sie erklären sollte, dass sie ihre Periode immer nur sehr unregelmäßig bekam.
Doch zu ihrer größten Überraschung wusste Lincoln darüber Bescheid. Er hatte es bei ihren Einsätzen bei der Waldbrandbekämpfung und dem damit verbundenen engen Zusammenleben im Camp mitbekommen. Wie Lucky auch.
„Lucky spürte, dass zwischen dir und mir etwas war“, sagte Lincoln. „Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass er die Veränderung in unserem Verhalten mitbekommen haben muss, auch wenn er damals gerade von seiner schrecklichen Krankheit erfahren hatte. Er war der wahre Held, Lindsey. Aber Überlebenskünstler wie uns verbindet etwas Besonderes, und wir drei waren immer gleichwertige Teampartner gewesen. Während Lucky Hilfe holte, saßen wir drei Tage in der abgelegenen Hütte fest und wussten nicht, ob wir überleben würden oder nicht.“
Als er daran dachte, wie tapfer Lindsey damals gewesen war, streichelte er liebevoll ihre Wange. „An diesen drei Tagen musstest du ganz allein mit deiner Angst fertigwerden weil ich die meiste Zeit über benommen war. Dass wir schließlich überlebten, haben wir Lucky zu verdanken. Er war der Held. Aber trotz allen Zusammengehörigkeitsgefühls verband uns beide mehr. Denn selbst im Angesicht des Todes hatten wir das Glück, gemeinsam die Liebe zu erleben.“
„In der schlimmsten Zeit seines Lebens fühlte Lucky sich ausgeschlossen. Ich kann mir vorstellen, wie sehr ihn das geschmerzt haben muss“, sagte Lindsey leise. Schmerz stand in ihren Augen.
„Aber er erzählte uns nicht, dass er nicht nur wegen seiner Brandverletzungen etwas länger im Krankenhaus war, und das spricht Bände. Ich kann seine Verzweiflung verstehen, denn zum ersten Mal in seinem Leben handelte er egoistisch und beanspruchte dich für sich“, fuhr Lincoln fort.
„Er konnte nicht wissen, wie du reagieren würdest.“ Lindsey mochte noch immer nicht recht glauben, dass Lucky imstande war, einen solchen Plan zu schmieden.
„Doch. Ich ließ ihm schon früher den Vortritt, wenn ich wusste, dass er sich etwas sehr wünschte. Weil ich das Gefühl hatte, es ihm schuldig zu sein. In diesem Fall war dieses Gefühl sehr viel stärker.
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