Julia Collection Band 57
Karte zeigte Eden ihm die beste Route, wies ihn auf Hindernisse unter Wasser und Untiefen hin.
Als dann die Segel gesetzt waren, überließ sie die Navigation ganz Adams. An die Kajüte gelehnt, beobachtete sie den Fluss und Adams und hoffte, die Fahrt würde ihm die gewünschte Abwechslung bieten.
Zunächst strahlte er eine gewisse Grimmigkeit aus, die ihn ungeduldig machte und irgendwie unbeholfen. Früher einmal hatte er mühelos die Fahrrinne des Flusses durchfahren. Jetzt kämpfte er gegen die Tücken an, statt sie mit Freude zu meistern. Er stand auf Kriegsfuß mit den Elementen, agierte nicht wie ein Mann, der das Wasser liebte.
Eden hatte großes Mitleid mit ihm. Manchmal hätte sie ihm am liebsten geholfen, ihm Ratschläge gegeben. Doch sie sagte nichts.
Er kam ihr wie ein Langstreckenläufer vor, der sich über einen schlechten Weg quälte, während er doch eigentlich mit dem Wind um die Wette laufen wollte.
Eine Weile noch stand ihm seine Ungeduld im Weg. Dann legte sich seine Verbissenheit, er entspannte sich und gewann seine alte Sicherheit im Umgang mit dem Boot zurück.
Seine Verwandlung zu erleben war für Eden wie eine Rückkehr in alte Zeiten. Wenn auch nur für eine kleine Weile. Für diesen einen Tag.
Adams redete nicht. Sie auch nicht. Doch es war das friedliche Schweigen alter Freunde, die gemeinsam schöne Erinnerungen durchlebten. Einmal zeigte er ihr einen Adler, der hoch über dem Fluss dahinsegelte. In dieser Küstenregion hatte es damals, als ihr Adams genommen wurde, keine Adler gegeben. Doch da sie die besondere Stimmung nicht zerstören wollte, wartete Eden lieber auf eine andere Gelegenheit, um Adams zu erzählen, dass jetzt ein Dutzend dieser majestätischen Vögel in der Gegend lebten.
Sie beobachteten noch andere Tiere, und Adams’ Freude an der Natur wurde immer größer, sein seelischer Kummer schwand mehr und mehr. Er wurde zusehends lockerer. Und Eden wusste, dass sie, egal, was der Tag noch bringen mochte, diesen Ausflug niemals bereuen würde.
Inzwischen kamen sie mühelos voran. Bald verbreiterte sich die Fahrrinne, und sie erreichten die Flussmündung. Im tieferen Wasser und mit einer kräftigen Brise von See her in den Segeln, glitt die River Lady dann fast wie von selbst dahin. Und Adams entspannte sich zum ersten Mal seit Jahren.
Nichts hatte sich geändert. Sein Vater war immer noch schwer krank, er war immer noch das schwarze Schaf der Familie und es war immer noch gut möglich, dass er Belle Rêve nie wiedersehen würde. Das alles konnte er nicht vergessen, aber er konnte seinen Kummer für die Dauer dieses Segeltörns verdrängen.
Mit einem entschlossenen Lächeln entledigte er sich seines Poloshirts, setzte eine Schirmmütze auf und zog sie sich tief in die Stirn. Dann trat er wieder ans Ruder und nahm Kurs auf Summer Island.
Als das Boot so durch die Wellen glitt, auf der Steuerbordseite die ruhige, offene See, zog auf der Backbordseite eine kleine Insel nach der anderen mit weißen Sandstränden und mit Strandhafer überwachsenen Dünen vorüber.
Adams erinnerte sich, dass der Küste an die sechzig kleine Inseln vorgelagert waren. Einige waren bewohnt, die meisten jedoch nicht. Summer Island gehörte zu den größeren.
Auf einmal wurde Adams bewusst, dass der Frühling unaufhaltsam in den Sommer überging. Es war deutlich wärmer geworden, und die nach Salz schmeckende riechende Brise, die von See her wehte, ließ ahnen, dass der Sommer mit seinen heißen Tagen, die man am besten am Strand verbrachte, vor der Tür stand.
„Wenn ich doch nur …“, murmelte er vor sich hin, dann schüttelte er energisch den Kopf. Nein, er würde im Sommer nicht mehr hier sein. Er konnte es nicht. Doch er würde nicht zulassen, dass sein Bedauern das überschattete, was er jetzt genießen konnte. Und das war dieser herrliche Frühlingstag mit Eden.
Lächelnd sah er zu ihr hinüber und streckte ihr einladend die Hand entgegen.
Eden hatte Adams, seit sie abgelegt hatten, fasziniert beobachtet. Nun war seine Verwandlung abgeschlossen. Er hatte die Hülle, die ihn wie ein schützendes Schneckenhaus umgeben hatte, abgestreift. Und der Himmel stehe ihr bei, er hatte immer noch diesen frechen Charme von damals, sodass sie keine Chance hatte, dass ihr Herz unversehrt blieb.
Adams so unbeschwert zu erleben war mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte. Und zugleich das, wovor sie sich gefürchtet hatte. Doch als er sie an sich zog, wünschte sich Eden verzweifelt, dass dieser
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