Julia Collection Band 57
ziehen, uns in die Höhle des Löwen zu wagen.“
„Redest du von Gus?“
„Von wem sonst?“ Auf einmal war Lincoln hellwach. „Ich war heute unten beim Walnusswäldchen. Die Bäume sollten längst nicht mehr stehen, aber wir haben da einen schönen Bestand an Nutzholz. Der könnte zu gegebener Zeit eine Menge Geld bringen, wenn wir es richtig anstellen.“
„Wie meinst du das?“ Adams war ganz Ohr. Der zweite Cade-Sohn hatte ein Studium in Forstwirtschaft absolviert, ehe er Tiermedizin studierte. Weil er Bäume fast so sehr liebte wie Tiere, gehörte er zu den Freiwillen, die bei Waldbränden im Einsatz waren.
„Die beiden letzten Jahre waren trocken, dieses Jahr war noch trockener. Das Wäldchen ist trocken wie Zunder und wartet nur auf ein Streichholz.“ Lincoln sah Adams ernst an. „Der erstbeste Blitz könnte die Bäume in Flammen aufgehen lassen, als seien sie in Benzin getränkt.“
„Und was machen wir da? Was müssen wir dem Löwen denn schonend beibringen?“
„Einen kontrollierten Brand.“
„Du willst Gus davon überzeugen, das Walnusswäldchen in Brand zu stecken, um es vor einem Brand zu schützen?“ Adams hatte von der Methode gehört, Unterholz abzubrennen, um große Bäume zu schützen. Doch Gus davon zu überzeugen, war eine andere Sache. „Dann viel Glück, Kumpel.“
„Das brauche nicht ich. Sondern du, Adams Cade.“
„Das soll wohl ein Witz sein.“
„Über Brände oder Bäume oder Gus mache ich nie Witze. Gus hört auf dich, wenigstens im Moment.“
„Du hast gut reden.“
„Ja, stimmt genau.“ Ein Gähnen unterdrückend reckte und streckte sich Lincoln, dann grinste er. „Da ihr hier alles unter Kontrolle zu haben scheint, fahre ich nach Hause.“
An der Stalltür blieb er kurz stehen. „Du musst zu Edens Party gehen, Adams. Du hast gar keine andere Wahl.“
„Warum?“, gab Adams gereizt zurück. Außer ihm schien jeder genau zu wissen, was er zu tun oder zu lassen hatte.
„Weil Jeffie ihr an diesem Abend das Porträt schenken wird. Du musst einfach dabei sein. Seit du ins Gefängnis musstest, hat er wahrlich genug durchgemacht und auf genug verzichtet. Einmal abgesehen von dem Gefühl, euch beiden im Weg zu stehen.“
Adams sprang von seiner Bank auf. „Was zum Teufel soll das heißen?“
„Genau, was ich gesagt habe. Bitte sei da, Adams. Für Jeffie.“
„Nein.“ Adams’ Widerspruch verhallte ungehört. Lincoln war gegangen, und auch Jefferson und Jackson waren nicht mehr auf der Koppel. Er war allein mit seinen Gedanken. Allein, um sich über Lincolns letzte Bemerkung den Kopf zu zerbrechen.
Am Abend des ersten August klopfte jemand heftig an seine Schlafzimmertür. Als Adams öffnete, stand er einem grinsenden Lincoln gegenüber. Sein Bruder trug ein blütenweißes Hemd, seine Fliege war noch nicht gebunden. Eine weinrote Weste und ein schwarzes Jackett hatte er lässig an einem Finger über der Schulter hängen. Er musterte Adams mit kritischem Blick.
„Gut“, meinte er und ging an seinem älteren Bruder vorbei in dessen Zimmer, als sei er hineingebeten worden. „Du bist passend angezogen. Ich hatte gehofft, dass ich dich vorher nicht erst noch verprügeln muss.“
„Davon träumst du wohl, Bruderherz.“ Adams richtete seine dunkle Krawatte, dann schlüpfte er in seine Weste und das Jackett seines schwarzen Anzugs.
„Ich könnte es ja mal probieren.“ Lincoln machte einen Schritt auf Adams zu. „Als ich deine Sekretärin anrief, wusste sie gleich, was sie schicken sollte.“
„Meine Sekretärin könnte nach dieser Nummer am längsten meine Sekretärin gewesen sein.“ Genervt fuhr sich Adams mit einer Hand durchs Haar.
„Hättest du das wirklich verpassen wollen, Adams? Es ist Jeffies erstes Porträt. Das erste Mal, dass er öffentlich macht, wie er jemanden sieht, und dafür hat er Eden ausgewählt.“ Lincoln schaute Adams fest in die Augen. „Könntest du diesen Augenblick verpassen? Selbst wenn es zehn Junior Rabbs gäbe?“
Adams antwortete nicht sofort. „Nein, ich hätte ihn nicht verpassen wollen“, murmelte er schließlich.
Als Antwort darauf zog auch Lincoln Weste und Jacke an, und nachdem er seine Manschettenknöpfe gerichtet hatte, fragte er grinsend: „Fertig?“
„Wo ist Jackson?“
„Der wartet voller Ungeduld im Wagen.“ Und weil er merkte, dass Adams das Unvermeidliche hinauszögerte, fügte er hinzu: „Und Jefferson ist vorausgefahren, um mit Cullen in einer verschwiegenen Ecke des Gartens das
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